Lord of the Lost machen richtig Lust auf den ESC.
Lord of the Lost machen richtig Lust auf den ESC. Imago/Marc John

Eigentlich bin ich in Sachen Eurovision Song Contest nicht gerade der euphorischste Mensch. Ich schaue mir das Event gerne an, erfreue mich an Kostümen und Songs, schalte dann meist während der Punktevergabe aus, um am Ende auf die Pushnachricht auf meinem Handy zu warten, die die Gewinner verkündet. Am nächsten Tag schaue ich mir dann noch meine Lieblings-Acts auf Youtube an und dann hat das ESC-Thema wieder ein Jahr Pause.

Dieses Jahr ist es irgendwie anders. Durch Zufall war ich vor knapp zwei Wochen am Freitagabend zu Hause, als der Vorentscheid für den ESC in Liverpool am späten Abend in der ARD lief. Und was soll ich sagen: Eigentlich habe ich nur eingeschaltet, um zu sehen, wie sich das deutsche TV-Publikum schon vor dem eigentlichen Wettbewerb ergibt, und Ballermann-Sänger Ikke Hüftgold nach England schickt.

ESC 2023: Große Vorfreude auf Lord of the Lost

Doch es sollte anders kommen – und das lag an den Hamburger Glam-Rockern von Lord of the Lost. Die holten nämlich in der Kombination aus Jury- und Zuschauerpunkten die meisten Stimmen und sorgten damit dafür, dass Ikke Hüftgold nicht den ersten Teil der Mallorca-Saison mit ESC-Promi-Auftritten vergeuden muss.

Vor allem aber sind Sänger Chris Harms und seine Band endlich ein deutscher Beitrag der heraussticht, nachdem es in den vergangenen Jahren vor allem eines gab: austauschbaren Pop. Mal gesungen von einem Mann, mal von einer Frau, mal von zwei Frauen und dann wieder von einem Mann mit einem ganzen Haufen Instrumente. All diese Songs waren gute Musik fürs Radio, für die Charts, aber für einen Wettbewerb, bei dem es nicht darauf ankommt, ein Publikum zu begeistern und aus der Masse herauszustechen? Eher nicht.

ESC 2023: Lord of the Lost passt zu diesem Wettbewerb

Lord of the Lost tut das: musikalisch mit ihrem Song „Blood & Glitter“, aber auch mit ihren Outfits. Dass Deutschland am Ende nicht trotzdem wieder ziemlich bedröppelt und punktlos dastehen wird, bedeutet diese Wahl am Ende zwar nicht. Aber es hat in mir durchaus eine gewisse Vorfreude auf diesen lauten, schrillen Musikwettbewerb ausgelöst, der in acht Wochen auf uns wartet.

Chris Harms ist Sänger von Lord of the Lost.
Chris Harms ist Sänger von Lord of the Lost. Imago/Marc John

Und auch andere Länder haben schon bestimmt, wer zum ESC fahren soll und da ist wieder einiges dabei. So schickt Titelverteidiger Ukraine das RnB-Duo Tvorchi ins Rennen, Finnland hat Rapper Käärijä nominiert und Belgien versucht es zum dritten Mal mit Gustaph.

ESC 2023: Alle Augen auf Kroatien

Doch der Act, der mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, sind die Kroaten von Let 3, die 2016 den Song „Angela Merkel sere“ („Angela Merkel kackt“) herausgebracht haben. Die Gruppe hat sich 1986 in Rijeka gegründet und machen Rockmusik. Dabei ecken sie vor allem bei Konservativen immer wieder mit provokanten Aktionen, aber auch ihren Outfits und ihrer Musik an. Für den ESC haben sie den Song „Mama ŠČ!“ geschrieben, was „Mama Schtsch!“ ausgesprochen wird.

Laut verschiedenen Interviews mit der Band ist der Track ein Antikriegssong, in dem der russische Machthaber Wladimir Putin und der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko verspottet werden. Konkret kommt das im Song aber nicht heraus, man muss es interpretieren. Denn die Kritik steckt in Metaphern, die wiederum in ein rockmusikalisches Wirrwarr, das irgendwie wie die kroatische Antwort auf den legendären Queen-Song „Bohemian Rhapsody“, verpackt ist.

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Ich kann es jetzt schon kaum erwarten, wer mich noch so alles überraschen und begeistern wird, wenn der ESC in acht Wochen endlich beginnt.

Domescu Möller schreibt jeden Donnerstag im KURIER über die Welt des Fernsehens.
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