Eine medizinische Fachangestellte setzt bei einer Frau die Kanüle zur Impfung an.
Eine medizinische Fachangestellte setzt bei einer Frau die Kanüle zur Impfung an. Foto: Nicolas Armer/dpa

Etwa zwei Drittel der Deutschen wollen sich laut einer Umfrage gegen das Coronavirus impfen lassen. In der Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov gaben 32 Prozent der Befragten an, sich so schnell wie möglich impfen lassen zu wollen. Weitere 33 Prozent sind zwar ebenfalls dazu entschlossen, wollen aber trotzdem erst einmal mögliche Folgen der Impfung bei anderen abwarten. 19 Prozent haben sich gegen eine Impfung entschieden, 16 Prozent sind noch unentschlossen.

Schwer haben es vor allem Menschen, die unter der Angst vor Spritzen leiden. Dabei gibt es zwei Typen, die zu unterscheiden sind, wie der Psychotherapeut Enno Maaß aus Wittmund (Niedersachsen) erklärt: zum einen Menschen, die Angst davor haben, Blut und Verletzungen zu sehen. „Sie fallen trotz Angstsymptomen beim Spritzen oder Blutabnehmen oft kurzzeitig in Ohnmacht.“ Zum anderen gibt es jene, die isoliert Angst vor der Spritze an sich haben. Das zeigt sich durch typische Angstsymptome wie Anspannung, Zittern und negativen Gedanken schon vor dem Termin. Was steckt hinter diesen Phobien und wie lässt sich gegensteuern?

Manche Menschen werden bei der Impfung ohnmächtig

Bei den Menschen, die mitunter ohnmächtig werden, steigen Blutdruck und Pulsfrequenz kurz vor dem Setzen der Nadel heftig an. Dann entspannen sich die Gefäße der Muskulatur plötzlich. Das lässt den Blutdruck rapide fallen, kurzzeitig ist dadurch zu wenig Blut im Kopf – und man verliert das Bewusstsein. Bei dieser Blut-Spritzen-Verletzungs-Phobie führen die Anfälle, auch vasovagale Synkopen genannt, oft zu einer Angst vor der Peinlichkeit dieser Situation und damit einhergehenden Schamgefühlen, erläutert Maaß, der auch stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung ist.

Davon Betroffenen kann es helfen, vorher vertraulich mit dem Arzt genau über diese Befürchtungen zu sprechen. Außerdem wissen viele nicht, dass auch Menschen ohne diese ausgeprägten Ängste beim Blutspenden manchmal in Ohnmacht fallen – dieses Wissen kann das Schamgefühl ebenfalls senken. Praktisch können Betroffene die sogenannte angewandte Anspannung durchführen, und zwar vor dem Setzen der Spritze, währenddessen und auch eine Zeit danach. Dazu werden pumpend-rhythmisch die Muskeln des nicht-injizierten Armes und der Beine angespannt, so Maaß. So fällt der Blutdruck durch den Muskeldruck auf die Gefäße oft nicht so heftig ab, sodass eine Ohnmacht ausbleibt.

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Wer vor allem Angst vor der Spritze hat, spürt oft ein diffuses Unbehagen. Dahinter könnten Befürchtungen stehen, dass man durch die Spritze verletzt wird, zum Beispiel am Knochen, oder versehentlich Luft mit injiziert werde. „Das zeigt sich oft in den Gesprächen, wenn man dem Angstgefühl auf den Grund geht“, sagt der Psychotherapeut. Es kann auch hier helfen, mit dem Arzt zu sprechen und sich zum Beispiel die Kanüle zeigen und anschließend erklären zu lassen, wie das Spritzen abläuft und auf was der Mediziner dabei achtet.

Fachkräfte sollen behutsam mit Angst-Patienten umgehen

Generell sind die Fachkräfte, die die Spritze geben, wichtig. Sie sollten behutsam sein bei Menschen mit solchen Ängsten und in Ruhe erklären. Es kann auch beruhigen, wenn sie deutlich machen, dass sie viel Erfahrung und Gelassenheit mitbringen. „Man sollte die Patienten abholen und deren Ängste ernstnehmen“, sagt Maaß. Das gilt gerade bei älteren Menschen im Pflegeheim, die eventuell nicht mehr so gut in der Lage sind, die Situation zu erfassen: „Je stärker die Vertrauensbasis ist und je fürsorglicher die Vorgespräche laufen, desto eher ist man bereit, sich in der Situation auch anzuvertrauen und Ängste zu überwinden.“

Ablenkung hilft indes nur bedingt. Bei Kindern, die vielleicht keine rationalen Ängste haben, sondern sich in erster Linie vor dem möglichen Schmerz fürchten, gehe das vielleicht noch, meint der Experte. „Doch Erwachsene sind oft nicht so leicht abzulenken.“ Wer sich partout nicht spritzen lassen will und wem auch die Gespräche mit dem Arzt nicht helfen, der sollte über eine Psychotherapie nachdenken. „Das geht oft mit überschaubarem Aufwand und guten Behandlungsergebnissen“, sagt Maaß. Denn eine Phobie vor Spritzen kann ernste gesundheitliche Folgen haben – wenn man deshalb nicht zu Vorsorgeuntersuchungen geht, sich nie Blut abnehmen lässt oder den Zahnarzt meidet.