Über dem Wohnungsbau geht die Sonne unter: Zu teuer.
Über dem Wohnungsbau geht die Sonne unter: Zu teuer. dpa/Julian Stratenschulte

Preissteigerungen und Knappheit beim Baumaterial machen Bauherren zu schaffen. Etliche geben ihre Projekte auf: Das Münchner Ifo-Wirtschaftsforschungsinstitut beobachtet schon seit Frühjahr eine Stornierungswelle. „Noch sind die Auftragsbücher prall gefüllt. Aber die explodierenden Baukosten, höheren Zinsen und schlechteren Fördermöglichkeiten stellen mehr und mehr Projekte in Frage.“ Mehr als jedes zehnte Unternehmen im Wohnungsbau (11,5 Prozent) sei im Juli von Stornierungen betroffen gewesen.

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Und so werden Grundsteinlegungen kurzfristig abgesagt, für geplante Mietwohnungen, die sich plötzlich nicht mehr rechnen, oder für  Hausbauer, die wegen rapider Kostensteigerungen aufgeben müssen.

Egal ob Stahl, Beton oder Dämmmaterialien: Die Preise am Bau sind in den vergangenen Monaten hoch geschnellt – auch wegen des Ukraine-Krieges, der Lieferketten unterbrach. Auch die teure Energie spielt eine Rolle: Dachziegel zum Beispiel müssen gebrannt werden. Die eigentlichen Bauleistungen verteuerten sich laut jüngsten Zahlen von Mai um 17,6 Prozent, das war der höchste Anstieg seit mehr als 50 Jahren.

Preissteigerungen überholen die Kostenkalkulation

Bei Bauherren, sei es professionelle Projektentwickler oder private Hausbauer, kann daher die Kalkulation zwischen Grundstückskauf und Baubeginn schnell überholt sein - trotz Puffer. „Große Investoren haben tiefe Taschen und können Kostensteigerungen eher abfangen“, sagte Pekka Sagner, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Bei privaten Bauherren sieht es anders aus.“

Wegen Corona traf es den Gewerbe-Bau, jetzt wird Wohnungsbau abgesagt

„Die Größenordnung ist vergleichbar mit dem Corona-Schock im Frühjahr 2020“, sagte Ifo-Forscher Felix Leiss. „War damals am häufigsten der gewerbliche Bau betroffen, sehen wir heute besonders im Wohnungsbau Stornierungen“. Das treffe Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser.

Private Bauherren müssten neben hohen Baukosten und steigenden Zinsen noch die steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten stemmen, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes, Tim-Oliver Müller. „Da entscheiden sich derzeit doch einige gegen den Hausbau.“ Aber auch bei Großinvestoren würden etliche Wohnungsbauprojekte auf den Prüfstand gestellt.

Beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) heißt es: „Wenn Bauprojekte noch nicht begonnen sind, dann werden sie derzeit verschoben. Bei begonnenen Vorhaben heißt es oft Augen zu und durch.“ Von einem Bauprojekt zurückzutreten, sei nicht immer reibungslos möglich und könne je nach Vertrag etwa Ausfallpauschalen nach sich ziehen.  

Teurer Ersatz für ukrainischen Stahl

Bei den hohen Materialpreisen sieht der ZDB vorerst keine Entspannung, denn ausgefallene Stahl-Lieferungen aus der Ukraine kommen nun oft aus Brasilien oder Asien, was höhere Preise bedeutet. Und auch die Lockdown-Politik in China verschärfe Lieferengpässe. Der Verband warnt daher vor einer Baukrise 2023.  IW-Experte Sagner erwartet eine „Vollbremsung“. Jüngste Zahlen deuten darauf hin: Die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser brach im ersten Halbjahr um 17 Prozent ein.  

Der Materialmangel am Bau bleibt laut Ifo vorerst groß. So meldeten in der Umfrage im Juli fast die Hälfte der Firmen im Wohnungsbau Lieferprobleme. Zwar lasse der Schwung etwas nach, doch die Kosten fielen nur langsam und von einem „massiv hohen Niveau“. Viele Befragte erwarteten weiter Preiserhöhungen in den kommenden Monaten und in der Folge sinkende Zahlen bei der Fertigstellung von Wohnungen.