Termin an der frischen Luft: Finanzminister Christian Lindner (FDP) in einem Zollboot vor der Elbphilharmonie.
Termin an der frischen Luft: Finanzminister Christian Lindner (FDP) in einem Zollboot vor der Elbphilharmonie. Marcus Brandt/dpa

Per Amt ist Finanzminister Christian Lindner (FDP) Deutschlands Oberzöllner. Deshalb war er dabei, als im Hamburger Zollamt die Jahresbilanz 2022 der Behörde vorgestellt wurde, die Lindner Milliarden Steuereinnahmen in die Staatskasse spült. Gleichzeitig fängt sie Drogen und Warenfälschungen in großem Umfang ab. Lindner ließ sich gleich vorführen, welche Möglichkeiten seine Leute haben: Er griff sich aus einem Lastwagen ein Paket, ließ es in einer mobilen Röntgenanlage durchleuchten - und alles hatte seine Ordnung. Wie deklariert enthielt es einen indischen Tischofen.

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Die Zoll-Zahlen sind enorm: 391 Millionen Warensendungen im Wert von 1,4 Billionen Euro hat der deutsche Zoll 2022 abgefertigt. Dabei entdeckten die Beamten 8,6 Millionen Warenfälschungen, wie die Präsidentin der Generalzolldirektion, Colette Hercher,  erklärte. Allein in Hamburg mit seinem Hafen seien 6,8 Millionen gefälschte Artikel aufgehalten worden.

Die Fälschungen hatten einen Wert von mehr als 434 Millionen Euro, knapp 78 Prozent der illegalen Lieferungen kamen nach Angaben des Zolls aus Asien. Darunter waren hochpreisige Luxusartikel wie gefälschte Armbanduhren, Designermode und Schmuck.

Der Zoll zählte im vergangenen Jahr auch 346.000 gefälschte Kleidungsstücke. Im Jahr der Fußball-WM zogen die Beamten allein 65.000 nachgemachte Trikots aus dem Verkehr.

Zöllner kennen ihre Pappenheimer

Die meisten Im- und Exporte fertigen die Zöllner digital ab. Doch ab und zu schauen sie genauer hin. „Bestimmte Firmen sind schon bekannt, auch bestimmte Gebiete im Hafen“, sagte der Vize des Hamburger Hauptzollamts, Michael Schrader. Bei einem Verdacht inspiziert ein Beamter die Ware genauer.

Prima Werbetermin für den Zoll und sich selbst: Christian Lindner, angetan mit einer Zoll-Jacke, holt mit Zollinspektorin Katharina Lorenzen einen Tischofen aus einem Lkw-Container, um ihn in einem mobilen Röntgengerät im Zollamt Hamburg zu kontrollieren.
Prima Werbetermin für den Zoll und sich selbst: Christian Lindner, angetan mit einer Zoll-Jacke, holt mit Zollinspektorin Katharina Lorenzen einen Tischofen aus einem Lkw-Container, um ihn in einem mobilen Röntgengerät im Zollamt Hamburg zu kontrollieren. Marcus Brandt/dpa

Ein junger Inspektor begutachtete zusammen mit Lindner eine Sportjacke zum angeblichen Preis von 8,50 Dollar. „Die ganze Jacke an sich wirkt äußerst ordentlich verarbeitet“, erklärt der Zöllner. „Und ist der Preis okay?“, will der Minister wissen. Nein, er sei viel zu niedrig. Es besteht der Verdacht, dass Abgaben hinterzogen werden sollen. Bis zum endgültigen Untersuchungsergebnis muss die Importfirma eine Sicherheitsleistung von 21.000 Euro zahlen.

2022 hat der Zoll 163 Milliarden Euro an Steuern kassiert. Einer der größten Posten waren die Umsatzsteuereinnahmen in Höhe von knapp 87 Milliarden Euro. Daneben erhob die Behörde Verbrauchssteuern, etwa auf Tabak, Alkohol, Kaffee und Bier sowie Energie-, Strom- und Kraftfahrzeugsteuern.

Lindner (FDP) lobte die ihm unterstellten Beamten: „48.000 Zöllnerinnen und Zöllner sind täglich für unsere Gesellschaft im Einsatz.“ Der Zoll sei ein Partner der Wirtschaft und sorge dafür, dass die Lieferketten funktionierten. Verbotene Waren würden gezielt herausgefiltert.

Zoll fängt mehr als 14 Tonnen Kokain ab

Im Kampf gegen den Drogenschmuggel beschlagnahmten die Zöllner 2022 in Deutschland knapp 14,5 Tonnen Kokain. Das waren zwar gut sieben Tonnen weniger als im Jahr 2021, aber fünf Tonnen mehr als 2020.

Es könnten in den nächsten Jahren mehr werden, falls es Belgiern und Niederländern gelingt, den Schmugglern die Nutzung der Häfen Rotterdam und Antwerpen zu verleiden: Dort wurden 2022 zusammen rund 200 Tonnen abgefangen.

Außerdem stellten die Beamten fast 8,4 Tonnen Marihuana sicher, rund eine Tonne mehr als im Vorjahr und rund fünf Tonnen mehr als 2020. Zusammen mit anderen Rauschgiften betrug die beschlagnahmte Menge insgesamt rund 29 Tonnen.

Der Zoll entdeckte ferner 142 Millionen geschmuggelte Zigaretten. Im Vorjahr waren es 117 Millionen Stück gewesen, im Jahr 2021 hatten die Zöllner 105 Millionen Schmuggelzigaretten gefunden.

Große Mengen Munition beschlagnahmt

Die Beamten stellten ferner 52 Kriegswaffen sicher, ebenfalls mehr als in den Vorjahren. Auffällig groß war auch der Umfang der illegalen Munition, nämlich fast 579.000 Schuss. 2021 waren es 137.000 gewesen, 2020 nur 32.000.

Lindner wies auch auf die Bedeutung des Zolls für die Sanktionen gegen Russland hin. „Die Bundesregierung setzt sich europäisch und international dafür ein, dass die vorhandenen und weiterzuentwickelnden Sanktionen wirklich durchgesetzt werden.“ Auch die Umgehungsmöglichkeiten über Drittstaaten müssten in den Blick genommen und unterbunden werden, sagte der Minister.

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, forderte, den Zoll mit zusätzlichen Kompetenzen und Strukturen zu stärken. Die Verantwortlichen in Lindners Ministerium müssten endlich begreifen, dass der Zoll mit seinen vielfältigen Aufgaben bei der Bekämpfung der Kriminalität auch Polizei sei.

Wie ein starker und effizienter Zoll in Deutschland aussehen könne, zeige das Beispiel der italienischen Guardia di Finanza (Finanzpolizei), meinte der Vorsitzende der GdP-Zoll, Frank Buckenhofer.