Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor einem der von der Bundeswehr ausgemusterten Gepard-Flugabwehrpanzer, der zu Dutzenden in die Ukraine geliefert wurde.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor einem der von der Bundeswehr ausgemusterten Gepard-Flugabwehrpanzer, der zu Dutzenden in die Ukraine geliefert wurde. Marcus Brandt/dpa

Selbst seinem Parteigenossen, dem Verteidigungsminister Boris Pistorius, geht die vor einem Jahr von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene  „Zeitenwende“ zu langsam, er fordert mehr Geld für die Bundeswehr auf Dauer. An diesem Montag, ein Jahr nach der Zeitenwende-Rede, gibt es viel Kritik. 

Scholz erklärte drei Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Bundestag: „Wir erleben eine Zeitenwende. Im Kern geht es um die Frage, ob Macht das Recht brechen darf, ob wir es Putin gestatten, die Uhren zurückzudrehen in die Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts, oder ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen. Das setzt eigene Stärke voraus.“

Deshalb sollte die Bundeswehr mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro aufgerüstet werden. Und es werden Waffen in einen laufenden Krieg geliefert. 

Die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine sind dann auch Schritt für Schritt ausgeweitet worden. Scholz setzte dabei drei Leitlinien: entschlossene Unterstützung der Ukraine, keine Alleingänge, keine direkte Nato-Beteiligung am Krieg.

Aus Sicht der Ukraine, aber auch osteuropäischer Bündnispartner haperte es allerdings an der Entschlossenheit. Die Debatte über die Lieferung von Kampfpanzern begann schon im Frühjahr 2022. Die Entscheidung dazu wurde aber erst im Januar 2023 getroffen.

Deutsche Hilfe für die Ukraine bleibt vergleichsweise mickrig

Deutschland zählt zwar heute in absoluten Zahlen  nach den USA, Großbritannien und Polen zu den größten Lieferanten militärischer Ausrüstung an die Ukraine. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt aber liegt Deutschland mit Lieferungen im Wert von knapp 2,6 Milliarden Euro unter den 30 Nato-Staaten nur auf Platz 18.

Was die Mittel für die Bundeswehr angeht, gestand das Finanzministerium kürzlich ein: „Das Sondervermögen hat im Haushaltsjahr 2022 keine Mittel verausgabt.“ Aus dem 100-Milliarden Topf seien insgesamt zehn Verträge mit einem Wert von gut zehn Milliarden Euro geschlossen worden. Das Verteidigungsministerium weist allerdings darauf hin, dass rund 30 Milliarden Euro bereits verplant seien.  

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in einem Leopard 2-Panzer.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in einem Leopard 2-Panzer. Martin Meissner/AP

Es wird auch gestritten, ob und inwieweit der reguläre Wehretat noch einmal deutlich angehoben werden muss, wie es Pistorius verlangt.  Von der Aufstockung wird auch abhängen, ob Scholz das  Versprechen an die Nato einhalten kann: „Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.“ 

Für 2023 werden nach Berechnungen der Bundesregierung 1,6 Prozent erwartet. Um die zwei Prozent zu erreichen, müsste der Wehretat um 15 auf 65 Milliarden Euro aufgestockt werden.

Scholz relativiert Versprechen an die Nato

Scholz hat sein Versprechen bereits  relativiert. Kürzlich sprach er statt von „mehr als zwei Prozent“ nur noch von einer dauerhaften Anhebung „auf zwei Prozent“.  

Bei der Bundeswehr herrscht Frust: „Für die Soldaten hat sich seitdem noch nichts spürbar verbessert“, sagt der Chef des Bundeswehrverbands, André Wüstner, der BamS.  

Der frühere polnische Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski analysiert, dass die Bundesregierung zwar viel für die Ukraine getan habe, bei den Verbündeten herrsche aber die Wahrnehmung vor, „dass Deutschland das Notwendige erst im letzten Moment tut, nur unter Druck von außen.“

„Die richtigen Worte aus der Rede von Scholz wurden nicht in ein politisches Programm umgesetzt“, sagte der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter in einem Interview. „Die  Zeitenwende hat bei der Bundeswehr bislang noch gar nicht begonnen.“