Wohin steuert Deutschland im Superwahljahr 2021?
Welche Koalition folgt auf die ungeliebte GroKo? Nicht nur im Bund, sondern auch in vielen Ländern werden die Weichen neu gestellt.

Wer kommt nach Angela Merkel, und welches Bündnis folgt auf die ungeliebte GroKo? Deutschland steht 2021 ein Superwahljahr bevor. Nicht nur im Bund werden die Weichen neu gestellt. Landesparlamente in sechs Bundesländern mit zusammen 25 Millionen Einwohnern werden gewählt. Höhepunkt ist die Bundestagswahl am 26. September, die die Ära der Kanzlerschaft von Angela Merkel (CDU) beenden wird.

Die 66-Jährige tritt nicht mehr an. Merkel wird dann vier Legislaturperioden und 16 Jahre lang an der Spitze der Bundesregierung gestanden haben. Das schaffte zuvor nur Helmut Kohl, in dessen Kabinetten sie als Frauen- und Umweltministerin diente. Wer für die Union als Spitzenkandidat ins Rennen geht, ist noch nicht klar. Die CDU muss im neuen Jahr zunächst einen neuen Vorsitzenden küren und sich dann mit der CSU verständigen. CSU-Chef Markus Söder hätte Umfragen zufolge die besten Karten, er betont bislang aber eisern, sein Platz sei in Bayern.
Die SPD hat sich hingegen längst entschieden und Finanzminister Olaf Scholz auf den Kandidatenschild gehoben. Die mageren Umfragewerte von 15 bis 17 Prozent haben sich aber seit Monaten kaum verändert. Um einiges besser stehen die Grünen da. Geraume Zeit wurde gar darüber debattiert, ob die Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck kanzlerabel wären. Die Diskussion ist angesichts des erheblichen Umfragevorsprungs der Union vor den Grünen abgeebbt. Eine schwarz-grüne Koalition hätte eine ordentliche Mehrheit und scheint wahrscheinlicher als in früheren Jahren. Für ein Linksbündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei fehlt derzeit die Mehrheit.
In gleich sechs Bundesländern stehen Wahlen an - erste wichtige Stimmungstests für den Bund.
Schafft es Kretschmann zum dritten Mal?

Baden-Württemberg: Im Südwesten mit seinen 11,1 Millionen Einwohnern rüstet sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der Landtagswahl am 14. März für eine dritte Amtszeit, und seine Chancen stehen nicht schlecht. 2011 war der 72-Jährige der erste Ministerpräsident der Grünen, er ist es bis heute geblieben. In der ersten Amtszeit regierte er mit der SPD, in der zweiten mit der CDU. Grüne und CDU sind den anderen Parteien in Umfragen weit enteilt. SPD und AfD kommen aktuell auf knapp zweistellige Werte, die FDP kommt demnach in den Landtag, für die Linke wird es knapp.
Neue Konkurrenz für Malu Dreyer

Rheinland-Pfalz: Ebenfalls am 14. März wird in Rheinland-Pfalz gewählt. Die Anfang Dezember zur Spitzenkandidatin gewählte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (59) kann mit Bekanntheit und Popularität punkten, zugleich leidet die SPD aber unter der Schwäche der Partei im Bund. Einer jüngsten SWR-Umfrage zufolge behauptet das Ampel-Bündnis eine knappe Mehrheit, jedoch liegt die CDU sechs Prozentpunkte vor der SPD. Und Die noch mitregierende FDP muss alles daran setzen, den Sprung in den Landtag überhaupt zu schaffen.
Neuwahl nach Polit-Beben

Thüringen: Die Thüringer werden schneller als geplant wieder zu den Wahlurnen gerufen. Sie hatten erst im Oktober 2019 den Landtag neu gewählt, mit weitreichenden Folgen für Land und Bundesebene. Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich wurde, auch mit den Stimmen von CDU und AfD, zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten gewählt, er nahm die Wahl an. Es folgten eine Regierungskrise in Thüringen, bei der Bundes-CDU kündigte die Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Rückzug an. Die Minderheitskoalition aus Linke, SPD und Grünen und die oppositionelle CDU schlossen eine Stabilitätsvereinbarung, nun soll am 25. April 2021 der Landtag neu gewählt werden.
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Umfragen vom Herbst ergaben, dass sich die Thüringer nicht viel anders entscheiden würden als 2019 mit der Linken als stärkste Kraft, der AfD und CDU etwa gleichauf dahinter und der SPD, den Grünen und der FDP deutlich abgeschlagen.
Was folgt nach dem Kenia-Experiment?

Sachsen-Anhalt: 2016 kam es deutschlandweit zum ersten Dreierbündnis aus CDU, SPD und Grünen, wegen der Parteifarben auch Kenia-Koalition genannt, nachdem die AfD zweitstärkste Kraft geworden war. Das Bündnis schlitterte Ende 2020 wegen des Streits um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags in eine schwere Krise.
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Landeschef Reiner Haseloff (CDU) entließ erst seinen Innenminister Holger Stahlknecht, dann blockierte er die bundesweite Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar. Er umging damit, dass seine eigensinnige CDU-Fraktion mit den Stimmen der AfD das Vorhaben stoppt. Ob die Koalition bis zur geplanten Landtagswahl am 6. Juni zusammenhält und ob Haseloff, der seit 2011 im Amt ist und eine dritte Amtszeit anstrebt, gestärkt aus der Krise hervorgeht, bleibt abzuwarten.
Wird Franziska Giffey Berlins erste Regierende?

Berlin: In der Hauptstadt mit ihren 3,7 Millionen Einwohnern sollen im Herbst 2021 am gleichen Tag Bundestag und Abgeordnetenhaus gewählt werden. Gleich vier Parteien rangeln um die Spitzenposition, SPD, CDU, Linke und Grüne liegen in Umfragen nicht weit auseinander. Personell steht Berlin eine spannende Wahl bevor. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) tritt nicht noch einmal an, ihn zieht es in den Bundestag. Er bleibt aber «Regierender» bis zur Wahl. Der Berliner SPD-Landesvorstand hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey als Spitzenkandidatin nominiert. Als neue SPD-Landeschefin hat sie zusammen mit dem Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh Müller vor wenigen Tagen abgelöst. Sollte Giffey es ins Rote Rathaus schaffen, wäre sie die erste Frau auf dem Posten.
Allerdings belasten Giffey die Plagiatsdiskussionen um ihre Doktorarbeit. Die Freie Universität prüft die Arbeit erneut, Giffey verzichtet bereits darauf, den Doktortitel zu führen. Die Linke hat Kultursenator Klaus Lederer als Spitzenkandidat nominiert. Die Grünen setzen mit Bettina Jarasch wie die CDU mit Kai Wegner auf neue Gesichter in der ersten Reihe.
Erste Wahlprüfung für Manuela Schwesig

Mecklenburg-Vorpommern: Ebenfalls im Herbst wird der Landtag im Nordosten mit seinen 1,6 Millionen Einwohnern gewählt. Es gilt als ausgemacht, dass Ministerpräsidentin Manuela Schwesig als Spitzenkandidatin ihrer Partei in die Wahl gehen wird. Es wäre ihre erste Wahl, sie zog erst 2017 in die Staatskanzlei ein, nachdem ihr Vorgänger Erwin Sellering aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war.
Eine aktuelle Umfrage von Ende November sieht SPD und CDU gleichauf, weit dahinter waren AfD, Linke und Grüne zweistellig.