Russland will von Konflikten profitieren
Wie Putin Afrika als Waffe gegen Europa einsetzt
Russland will die Zusammenarbeit mit Afrika stärken. Für Europa bedeutet das nichts Gutes.

Es sind großspurige Worte, mit denen Russlands Präsident Wladimir Putin diese Woche die Länder Afrikas umgarnt. In einem auf der Website des Kremls veröffentlichten Schreiben sprach der russische Diktator die Afrikaner an und behauptete schon im Titel des Pamphlets, dass „Russland und Afrika: gemeinsame Anstrengungen für Frieden, Fortschritt und eine erfolgreiche Zukunft“ unternehmen würden.
Das Schreiben zeigt vor allem eines: Putins Russland will sich die Konflikte in Afrika und das Misstrauen auf dem Kontinent gegen den Westen stärker zunutze machen. Putin kehrt damit auf den Pfad zurück, den afrikanischen Kontinent als Waffe im Krieg gegen die Ukraine einzusetzen und vor allem Europa damit unter Druck zu setzen.

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Russland will Afrika als Waffe einsetzen
Auch deshalb veranstaltete Russland in St. Petersburg in dieser Woche einen Russland-Afrika-Gipfel. Fast 50 Länder nahmen daran teil, knapp die Hälfte davon mit hochrangigen Regierungsmitgliedern. Ausstellungen zu afrikanischer Kunst waren in russischen Städten zu sehen, das russische Staatsfernsehen zeigte Beiträge über Afrika.
Gleichzeitig betonten die Russen immer wieder ihre angeblich antikolonialistische Tradition. Schließlich habe Russland nie am Sklavenhandel teilgenommen und auch nicht das südafrikanische Apartheids-Regime unterstützt. Letzteres stimmt zwar aber über die antikolonialistische Rhetorik können viele in den einst vom Russischen Zarenreich und der Sowjetunion besetzten Ländern nur lachen.

Putin steht mit Staatschefs auf der Bühne
Für Putin wird der Russland-Afrika-Gipfel eine Möglichkeit sein, wieder neben anderen Staatschefs zu stehen. Schließlich wird der Russen-Diktator vom Westen isoliert und ist vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Kriegsverbrechen angeklagt.
Und nachdem der Beinahe-Putsch von Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin auch die Verbündeten Russlands schockierte, kann Putin endlich wieder ein bisschen Normalität vorspielen.
Von den Afrikanern muss er sich dabei kaum Kritik anhören. Denn bereits vor dem Gipfel kündigte Diktator Putin an, Russland werde „seine energischen Bemühungen fortsetzen, um die Verteilung von Getreide, Lebensmitteln, Düngemitteln und anderen Gütern nach Afrika sicherzustellen“.
Dass einige afrikanische Staaten wenig Berührungsängste haben, zeigte sich als die UN-Vollversammlung im vergangenen März die russische Invasion der Ukraine verurteilte. Damals stimmten zwar 28 von 54 afrikanischen Staaten dafür. Doch 25 enthielten sich oder stimmten nicht mit ab. Eritrea stimmte gar dagegen.

Russland liefert Waffen und schützt Diktatoren
Und auch wenn Russland weniger Geld für sein Engagement in Afrika in die Hand nimmt, ist es mitunter ein gern gesehener Partner. „Russland spielt eine wichtige Rolle als Waffenlieferant, als Käufer und lizenzierter Schürfer von wertvollen Rohstoffen, als Exporteur von landwirtschaftlichen Geräten, aber auch als jemand, der durch die Wagner-Gruppe private Sicherheitsdienste bereitstellt“, konstatierte Philani Mthembu vom Institute for Global Dialogue in Südafrikas Hauptstadt Pretoria.
Russische Söldner schützen in immer mehr afrikanischen Ländern Autokraten und Diktatoren vor Protesten oder gegen rivalisierende Machthaber. Auch vom Putsch der demokratisch-gewählten Regierung in Niger in dieser Woche könnte Russland profitieren, glauben Experten. Die Unterstützer der Putschisten schwenkten russische Fahnen und riefen anti-westliche Parolen auf den Straßen.
Denn Russland versorgt die Region nicht nur mit Waffen. Die Wagner-Söldner helfen auch anderweitig. „Tatsächlich umfasst die Organisation neben einem militärischen Arm auch ein Netzwerk von Organisationen zur propagandistischen, politischen und wirtschaftlichen Einflussnahme“, konstatierte die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung in einem Bericht zu den russischen Aktivitäten in Afrika. Durch Desinformation befeuert Wagner russische Interessen auch in der Region.

Afrikaner haben von Getreideabkommen profitiert
Trotz der Solidaritätsbekundungen mit dem zweitgrößten Kontinent der Welt haben die Russen aber das Abkommen zum Export von Getreide mit der Ukraine aufgekündigt und just am selben Wochenende des Putin-Schreibens die ukrainischen Hafenstädte in Odessa und auch weiter südlich in Ismajil mit Drohnen und Raketen angegriffen.
Das Ziel: Getreidesilos, in denen Tausende Tonnen Weizen und andere Lebensmittel lagerten. Ukrainisches Getreide ist in Afrika ein willkommenes und günstiges Grundnahrungsmittel. Das Getreideabkommen hatte nach heftigen Anstiegen zu Beginn des russischen Angriffskrieges die Preise auf dem Weltmarkt stabilisiert.
Russland könnte Verwerfungen in Afrika nutzen
Die Afrikanische Union (AU) hatte Russlands Rückzug vom Abkommen daher auch „bedauert“. AU-Kommissionspräsident Moussa Faki Mahamat forderte zuvor alle Beteiligten auf, „die Probleme zu lösen, um die Wiederaufnahme des sicheren Transports von Getreide und Düngemitteln aus der Ukraine und Russland in bedürftige Regionen, einschließlich Afrika, zu ermöglichen“.
Doch ob Russland an einer friedlichen Lösung überhaupt Interesse hat, ist fraglich. Denn jede Hungersnot in Afrika führt zu politischen Krisen und zur Flucht von Menschen. Wenn wiederum Flüchtlingsboote mit Hunderten Afrikanern in Europa anlanden, treibt das den rechtspopulistischen Parteien Europas Wähler zu. Und die unterhalten wie viele afrikanische Machthaber beste Verbindungen – nach Russland.