Wer soll die steigenden Kosten für die Altenpflege tragen? Es wird teuer!
Die SPD verlangt höhere Steuerzuschüsse von Finanzminister Christian Lindner (FDP) für die Altenpflege. Der kämpft aber mit Haushaltslücken

Die Schlacht hinter den Kulissen ist schon im vollen Gang, die SPD macht sie jetzt richtig bekannt: Angesichts wachsender Lücken bei der Altenpflege in Deutschland pocht sie im Bundestag bei Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf mehr Steuermittel für den Bereich. Er soll Geld aus der Steuerkasse herausrücken. „Fünf Millionen Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und Freunde erwarten von der Fortschrittskoalition, dass wir an ihrer Seite stehen – gerade wenn die Zeiten schwierig sind“, sagte SPD-Vize-Fraktionschefin Dagmar Schmidt. Dennoch steht eine deutliche Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung ins Haus.
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Pflegeversicherung steckt mit 2,2 Milliarden Euro in den roten Zahlen
Hinter den Kulissen ringt die Koalition länger über die künftige Pflegefinanzierung. Kürzlich war berichtet worden, dass die Pflegeversicherung Ende 2022 ein Minus von 2,2 Milliarden Euro aufweist und Finanzminister Christian Lindner (FDP) nicht geneigt sei, die Versicherung mit höheren Steuerzuschüssen zu unterstützen.
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Setzt er sich durch, würden die Beiträge der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten steigen. Sie liegen aktuell bei 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens, Kinderlose zahlen 3,4 Prozent. Reformvorschläge von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für die Pflege würden „weitere Leistungsausweitungen in Milliardenhöhe“ bringen, hatte das Handelsblatt unter Bezugnahme auf das Finanzministerium berichtet. Da bestehe bei den Finanzern noch „erheblicher Beratungsbedarf“, weil die Finanzierung des Bundeshaushalts eine 12-Milliarden-Lücke aufweise.
SPD-Fraktionsvize nimmt Finanzminister in die Pflicht
Schmidt stellte jetzt die Pflege in eine Reihe mit Bereichen wie Gesundheitsvorsorge, Mobilität, Digitalisierung und Weiterbildung: „Investitionen, die wir heute tätigen, werden sich schon bald bezahlt machen und unseren Wohlstand und gesellschaftlichen Zusammenhalt sichern. Es ist die Aufgabe des Finanzministers, die dafür notwendigen Mittel jetzt zur Verfügung zu stellen und endlich auch Verantwortung für die Einnahmeseite zu übernehmen.“
Bei der Altenpflege verwies Schmidt auf die Lage der Betroffenen und Angehörigen. „Sie leisten tagein tagaus Großartiges, und wir müssen sie dabei unterstützen und ihnen das Leben leichter machen“, sagte Schmidt. „Wir haben dazu konkrete Vorstellungen im Koalitionsvertrag hinterlegt.“ Diese müssten jetzt umgesetzt werden. „Dazu gehören eine stabile Finanzierung, auch aus Steuermitteln, ebenso wie die Anpassung der Leistungen an die Bedürfnisse der Betroffenen.“

Schon länger wird darüber diskutiert, ob die Pflegeversicherung wegen immer mehr Pflegebedürftigen in der alternden Gesellschaft stärker über Steuern finanziert werden soll. Zum 1. Januar 2022 war ein Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro pro Jahr für die Pflegeversicherung eingeführt worden. Bereits 2021 war der Bund mit einer Milliarde Euro für Mehrkosten wegen der Corona-Pandemie aufgekommen.
Starker Anstieg bei der Eigenbeteiligung für einen Heimplatz
Nun steigt der Druck im Pflegebereich weiter. Vor eineinhalb Wochen hatte für Schlagzeilen gesorgt, dass die Anteile für Pflegebedürftige und ihre Familien für einen Heimplatz weiter gestiegen sind. Laut Ersatzkassen-Verband kletterten sie binnen eines Jahres um 278 Euro auf 2411 Euro pro Monat.
Dabei war 2022 ein Entlastungszuschlag eingeführt worden, der diese Anteile begrenzen sollte. Schmidt wollte sich auf Nachfrage nicht zum Problem der Eigenanteile äußern. Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP angekündigt, die Entlastungszuschläge zu beobachten und zu prüfen, „wie der Eigenanteil weiter abgesenkt werden kann“.
Pflegegeld ist seit 2017 nicht mehr erhöht worden
Außerdem hatte die Ampel-Koalition zu ihrem Start 2021 angekündigt, versicherungsfremde Leistungen wie Rentenbeiträge für Angehörige aus Steuern zu finanzieren, häusliche Pflege zu stärken und das Pflegegeld ab 2022 zu dynamisieren. Pflegegeld gibt es, wenn Pflegebedürftige zu Hause betreut werden. Sozialverbände hatten kritisiert, dass das Pflegegeld trotz anderslautender Ampel-Ankündigung und Inflation seit 2017 nicht mehr erhöht worden sei.
Lauterbach hatte zuvor Verbesserungen für die Pflege durch Angehörige und ambulante Dienste angekündigt. Er verwies darauf, dass im Koalitionsvertrag „weitere Steuerzuschüsse“ vorgesehen seien. Fraktionsvize Schmidt stärkte ihn den Rücken. „Gerade in Zeiten des Wandels ist es umso wichtiger, Daseinsvorsorge und Sozialstaat zu stärken“, argumentierte sie.
SPD pocht auf gerechte Lastenverteilung
Neben den Vorhaben im Koalitionsvertrag zu Steuervermeidung, Steuerschlupflöchern und Steueroasen gelte es auch, die Lasten aus Pandemie und Krieg gerechter zu verteilen.
Allerdings hatte auch Lauterbach angekündigt, eine Erhöhung der Beitragssätze sei unumgänglich.
Nach einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts der Privaten Krankenversicherung könnte die Zahl der Pflegebedürftigen von knapp 5 Millionen bis 2025 auf knapp 5,5 und bis 2030 auf bis zu 5,75 Millionen steigen.