Bundesfinanzhof: Wer sehr gut verdient, muss weiter Soli zahlen
Der Bundesfinanzhof hat eine Klage gegen den Solidaritätszuschlag abgewiesen, der seit 2021 nur noch von den am besten bezahlten zehn Prozent ans Finanzamt überwiesen werden muss.

Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hat am Montag die Klage eines Ehepaars gegen den Solidaritätszuschlag abgewiesen, einen Steueranteil, der nur noch von besser Betuchten bezahlt werden muss. Der Soli sei nicht verfassungswidrig und das Bundesverfassungsgericht muss sich nicht damit befassen. Der Bund kann deshalb weiter mit jährlichen Milliardeneinnahmen rechnen. Zuletzt waren es elf Milliarden Euro im Jahr.
„Im vorliegenden Fall ist das Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags für die Jahre 2020 und 2021 überzeugt“, sagte BFH-Präsident Hans-Josef Thesling – gegen die Steuerbescheide dieser beiden Jahr hatte sich die Klage gerichtet. Bloße Zweifel rechtfertigten keine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht. Dort wartet allerdings schon seit 2020 eine Verfassungsbeschwerde von FDP-Abgeordneten in der Sache auf eine Entscheidung, außerdem könnten die Kläger in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde einlegen.
Gericht gibt dem Bund Recht: Wiedervereinigung kostet weiter
Laut Urteil hat der Bund „schlüssig dargelegt“, dass die Wiedervereinigung weiter erhöhten Finanzbedarf verursacht und die Einnahmen deshalb weiter notwendig seien.
Beim höchsten deutschen Steuergericht geklagt hatte das Ehepaar Margarete und Andreas Berberich aus Aschaffenburg, wo der Kläger Steuerberater ist. Die Klage, vom Bund der Steuerzahler unterstützt, fußte auf zwei Argumenten:
Soli wurde 1991 wegen der Kosten der deutschen Einheit eingeführt
Der 1991 von der Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) eingeführte Solidaritätszuschlag sollte die Lasten der deutschen Einheit finanzieren, doch dieser Zweck ist formell entfallen: 2019 lief der Solidarpakt II aus, eine Sonderfinanzierung der ostdeutschen Länder gibt es seither nicht mehr. Dem folgte der Bundesfinanzhof nicht: Der Bund darf den Solidaritätszuschlag wegen erhöhten Finanzbedarfs für die Einheit demnach auch ohne Solidarpakt erheben. „Eine Ergänzungsabgabe muss nicht von vornherein befristet oder für einen kurzen Zeitraum erhoben werden“, sagte Thesling.
Darüber hinaus warfen die Kläger und ihre Anwälte dem Bund einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vor, weil nur noch eine kleine Minderheit der Steuerzahler die Abgabe zahlen muss. Der Steuerzahlerbund nannte den Solidaritätszuschlag deswegen als eine durch die Hintertür eingeführte Reichensteuer. Auch dieses Argument wies der 9. Senat des Gerichts zurück. Steuern, die an der „Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen“ ausgerichtet sind, darf der Bund laut Urteil unter sozialen Gesichtspunkten auf Menschen mit höherem Einkommen beschränken.
Soli war schon mal abgeschafft, wurde wieder eingeführt und 1998 gesenkt
Der Soli hatte eine bewegte Geschichte: Die 7,5 Prozent mehr auf die Lohn-, Einkommens- und Körperschaftssteuer wurde wie zugesagt nach einem Jahr wieder abgeschafft, nur, um 1995 wiederzukehren. 1998 erzwang Finanzminister Theo Waigel (CDU) eine Senkung auf 5,5 Prozent. Da blieb er bis 2021, die Regierungen von Gerhard Schröder (SPD) und zunächst auch von Angela Merkel (CDU) fassten ihn nicht an.
Erst mit dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätsausgleichs aus dem Jahr 2019 hatte die damalige große Koalition aus Union und SPD beschlossen, dass nur noch Besserverdiener – die oberen zehn Prozent der Einkommen – den Zuschlag zahlen müssen. Die übrigen neunzig Prozent der Steuerzahler sollen ausgenommen bleiben. Nach Angabe des Anwalts der Kläger zahlen noch etwa 2,5 Millionen Menschen den Soli.
Lesen Sie auch: Wie Rentner Steuern sparen können >>
Der BFH hat das in seiner Mitteilung zur Entscheidung aufgeschlüsselt: Seit dem 1. Januar 2021 wird der Soli erst erhoben, wenn die Einkommensteuer bei Einzelveranlagten mehr als 16.956 Euro im Jahr oder bei zusammen veranlagten Steuerpflichtigen mehr als 33.912 Euro im Jahr beträgt.
Die auf das jährlich zu versteuernde Einkommen bezogene Freigrenze liegt 2022 bei Ledigen bei 62.603 Euro, bei Verheirateten oder Lebenspartnern bei 125.206 Euro.

Voller Soli erst bei einem zu versteuernden Einkommen von 96.280 Euro bei einem Alleinstehenden
Danach schließt eine sogenannte Gleitzone an, der Steuerzuschlag wächst: Der volle Soli von 5,5 Prozent wird erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen über 96.280 Euro (Alleinstehende) beziehungsweise 193.641 Euro (Zusammenveranlagte) erreicht.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) will den Soli abschaffen. Sein Ministerium war dem Verfahren ursprünglich beigetreten, was üblicherweise geschieht, wenn es eine Klage zurückweist. Lindner hatte das jedoch rückgängig gemacht. Das;inisterium setzt auch nach dem Urteil auf Karlsruhe. „Die Bundesregierung hat ein Interesse an einer verfassungsgerichtlichen Klärung“, hieß es in Ministeriumskreisen.
SPD, Grüne und Linke begrüßten die Entscheidung, die Union hielt sich zurück: der Soli dürfe keine Ewigsteuer werden. Die Verfassungsmäßigkeit bleibe davon abhängig, dass der Bund besonderen Finanzbedarf für die Herstellung der Einheit nachweise, sagte Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg. „Insofern ist absehbar, dass die Berechtigung des Soli auslaufen wird.“
Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Peter Adrian, nannte eine Abschaffung des Soli einen „dringend notwendigen Entlastungsschritt“. Die Entscheidung des BFH hindere die Politik nicht daran, ihn abzuschaffen. Er verwies darauf, dass die Wirtschaft „rund die Hälfte des verbliebenen Soli-Aufkommens“ trage.