Weniger Privatpleiten in Deutschland. Schön, aber es gibt einen Haken und es droht eine Verschuldungswelle
In den ersten neun Monaten 2022 sank die Zahl der Privatinsolvenzen gegenüber dem Vorjahr. Das Problem: Da waren die Werte besonders hoch.

Die Preise steigen und steigen, da müssten die Zahlen der Pleiten von Privatleuten steigen. Eine neue Erhebung zeigt aber das Gegenteil. Allerdings gibt es dabei einen Haken, wie so oft bei Statistiken. Der Informationsdienst CRIF, der die Zahlen ausgewertet hat, erwartet nach einem Rückgang in den ersten neun Monaten einen Anstieg im kommenden Jahr.
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Laut dem CRIF-„Schuldenbarometer“ sank die Zahl der Privatinsolvenzen in den ersten drei Quartalen um 13,5 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2021 auf 71.107. Auf 100.000 Einwohner gab es 85 Fälle.
Rückgang von hohen Werten im vergangenen Jahr
Das liege aber vor allem daran, dass es im vergangenen Jahr mit einem Plus von fast 97 Prozent einen Boom privater Pleiten gab. 2021 war eine neue Regelung in Kraft getreten, nach der Privatleute in finanziellen Nöten schon nach drei und nicht erst nach sechs Jahren aus dem „Restschuldbefreiungsverfahren“ raus kommen und schuldenfrei sind. Deshalb zögerten die Verschuldeten den Insolvenzantrag ins Jahr 2021 hinaus.
Dieser Boom relativiert den Rückgang in diesem Jahr.
Der Vergleich zu den ersten drei Quartalen 2019 – also vor Gesetzesreform und vor Corona – zeigt, dass es gegenüber 2019 einen Anstieg von 11,8 Prozent gab.
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Was die einzelnen Bundesländer angeht, liegt Berlin mit vergleichsweise wenigen Fällen im oberen Drittel der weniger betroffenen Länder und fast im Bundesschnitt.
Die Verschuldung in den Bundesländern: Fälle von Privatinsolvenzen pro 100.000 Einwohner
- Bundesweit: 85
- Bayern: 52
- Baden-Württemberg: 64
- Thüringen: 67
- Rheinland-Pfalz: 85
- Berlin: 86
- Hessen: 88
- Nordrhein-Westfalen: 92
- Sachsen: 95
- Saarland: 98
- Brandenburg: 91
- Sachsen-Anhalt: 100
- Mecklenburg-Vorpommern: 101
- Schleswig-Holstein: 110
- Hamburg: 118
- Niedersachsen: 120
- Bremen: 153
Betrachtet man außerdem die einzelnen Quartale 2022, so zeichnet sich bereits eine Trendwende im dritten Vierteljahr ab: Gegenüber dem Vorjahreszeitraum wurde ein Plus von 0,7 Prozent erreicht.
Ein Großteil der Betroffenen hat in der Gesamtsumme Schulden von knapp unter 10.000 Euro. Die mittlere Schuldenhöhe liege derzeit unter 19.000 Euro. Meistens sind Männer betroffen: Knapp 61 Prozent der Privatinsolvenzen wurden von Männern gemeldet. Auf 100.000 Frauen kamen 78 private Pleiten, bei den Männern waren es 104.
Verschuldungswelle im kommenden Jahr
Insgesamt erwartet CRIF in diesem Jahr rund 100.000, im kommenden Jahr etwa 120.000 Privatinsolvenzen, was allerdings immer noch weniger wären als in den Jahren 2011 bis 2013. Geschäftsführer Frank Schlein: „Durch die steigenden Kosten ist eine Verschuldungswelle in Deutschland möglich. Wenn die Kosten stark steigen, wird es für Personen, die schon bislang am Existenzminimum leben, schwierig. Gerade für finanz- und einkommensschwache Haushalte wird sich die finanzielle Lage zuspitzen – auch weil die finanziellen Reserven durch Einbußen in der Corona-Pandemie aufgebraucht worden sind.“