Smartphone statt Supermarkt: Online-Lebensmittel gefragt wie nie
Die Angst vor dem Coronavirus sorgt für einen späten Boom im Online-Lebensmittelhandel in Deutschland.

Berlin - Lebensmittel über den Internet-Händler bestellen? Lange Zeit zeigten die Deutschen daran kaum Interesse. Doch dann kam die Corona-Krise: Die Supermärkte sind voll, die Regale oftmals leer. Um größere Menschengruppen im Laden und Schlangen an Kassen zu vermeiden und Produkte zu finden, die im Laden mal wieder ausverkauft sind, kaufen immer mehr Deutsche per Smartphone im Internet Lebensmittel ein.
Bei einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur berichteten alle befragten Online-Anbieter über eine stark erhöhte Nachfrage. Die Folge: Wer heute im Internet Lebensmittel oder Hygieneartikel bestellt, muss bis zu zwei Wochen auf die Lieferung warten. Beispiel Rewe: Die hohe Nachfrage könne dazu führen, dass die im Internet bestellte Ware erst in ein bis zwei Wochen geliefert werde, teilte der Lebensmittelhändler mit.
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Rewe ist mit seinem in 75 Städten verfügbaren Lieferservice einer der führenden Online-Lebensmittelhändler in der Bundesrepublik. Auch beim Online-Supermarkt Getnow, der in Berlin, München, Frankfurt, Hannover, Essen und Düsseldorf liefert, sind die Zustellslots mittlerweile 14 Tage im Voraus ausgebucht. „Wir können nur einen kleinen Teil der Nachfrage abarbeiten. Dabei sind wir immer auf Volllast“, sagte Unternehmenssprecher Thorsten Eder. Die Zahl der Neukunden sei in einigen Städten um 500 Prozent gestiegen.

Bei der Drogeriemarktkette dm müssen sich Online-Kunden aktuell ebenfalls in Geduld üben. Chef Christoph Werner sagte dem „Handelsblatt“ in dieser Woche: „Wegen der enormen Nachfrage ist die Lieferzeit kurzzeitig von zwei bis drei Werktagen auf neun bis zwölf Werktage hochgeschnellt.“
Selbst der Lieferdienst Amazon Fresh warnt auf seiner Homepage: „Sortiment und Lieferung können aufgrund erhöhter Nachfrage vorübergehend eingeschränkt sein.“ Die Unsicherheiten in Zeiten von Corona könnten das Einkaufsverhalten sogar langfristig ändern, glaubt die Handelsforscherin Eva Stüber. Laut einer Studie des Kölner IFH-Instituts sind 53 Prozent der Konsumenten zwar nach wie vor mit den Geschäften in ihrer Umgebung zufrieden. Die Lebensmittellieferung nach Hause erscheine vielen aber nicht nur "als bequemere Option für den Wocheneinkauf, sondern aktuell auch als die gefühlt sicherere", so Stüber.
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Eine Chance für die Handelsunternehmen bedeutet diese Entwicklung allemal, die durch die Coronakrise eigentlich nur beschleunigt wird. Die Beratungsfirma Oliver Wyman orakelte, der Onlineumsatz mit Lebensmitteln würde sich in Deutschland bis 2030 mindestens verfünffachen. Bereits mehr als die Hälfte der Konsumenten unter 40 Jahre hätte schon einmal bei einem Lebensmittellieferanten online bestellt, so eine Umfrage des Beratungsunternehmens. Menschen mit höherem Einkommen seien dazu noch eher bereit als solche mit niedrigerem.