Der klare KURIER-Kommentar

Warum ein härteres Urteil gut gewesen wäre

Druck von oben, unten Angst: Wie in Deutschland die Unternehmenskultur vor die Hunde geht

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Rupert Stadler bei der Urteilsverkündung im Landgericht München.
Rupert Stadler bei der Urteilsverkündung im Landgericht München.Matthias Schrader/AP Pool/dp

So richtig zufrieden sein mag man nicht mit dem Urteil gegen den früheren Audi-Chef Rupert Stadler. Ja, er ist offiziell ein Betrüger, ja, er muss über eine Million Euro zahlen, ja, er muss die Prozesskosten tragen. Und ja, lieber ein Urteil mit Schuldspruch statt eines weiter dahinschleichenden Prozesses mit ungewissem Ausgang.

Dennoch bleibt ein ungutes Gefühl. Denn im Prozess wurde deutlich, dass „von oben“ Ziele formuliert wurden, die mit legalen Mitteln nicht erfüllt werden konnten. Das fügte dem Unternehmen schweren Schaden zu.

Gedankenlosigkeit oben, Schiss unten

Die Vorgänge bei Audi lassen mehr als vermuten, dass sich „oben“ niemand Gedanken gemacht hat, ob man nicht Unmögliches verlange. Und „unten“ hatte offenbar niemand den berühmten Arsch in der Hose, das zu sagen. Man parierte.

Eine Entwicklung, von der man aus Unternehmen und Behörden immer wieder hört. Die Behauptung von „Führungskräften“, sie seien offen, kommunikativ und nähmen Kritik an, wird als Geplapper entlarvt. 

In Berlin hatte man Ähnliches beim Bau des Flughafens BER erlebt. Immer neue Forderungen der Politik und für die Insider erkennbare Mängel führten viel zu lange nicht dazu, dass jemand klar sagte, das Projekt fahre gegen die Wand.

Am BER machte einer den Mund auf – und flog raus

Am Ende platzte dem einstmaligen BER-Pressesprecher in einem Interview der Kragen, er sprach 2016 von interner „Angstkultur“ und knallte die Bemerkung heraus, dass niemand, „der nicht medikamentenabhängig“ sei, noch eine Garantie dafür abgebe, dass das Projekt 2017 fertig würde.

Tatsächlich wurde es dann 2020, aber der Mann war nicht dabei. Er war natürlich gefeuert worden.

Ein härteres Urteil gegen Stadler wäre ein Schritt gewesen, in wer weiß wie vielen Chefetagen Deutschlands Denkprozesse in die Wege zu leiten: Die Tatsache, dass man Chef ist, darf nicht als Rechtfertigung dienen, sich für Gott zu halten.