Von wegen nur Pommes und Bier: Belgien ist ein Impfstoff-Riese
Das Königreich fördert Pharmaunternehmen, wo es nur kann. Das macht es in der Pandemie wichtig, auch wenn mal was schiefgeht

Pommes, Bier, und da wohnt die EU: Belgien. Mehr fällt vielen zu dem kleinen Land (11,5 Millionen Einwohner) nicht ein. Dabei ist es zentral wichtig für Europa und die Welt, lobte sogar König Philippe: „Unser Land steht heute dank seines Beitrags zu Entwicklung, Produktion und Verteilung von Coronavirus-Impfstoffen im Zentrum der weltweiten Impfmaßnahmen.“ Allerdings auch, wenn es bei der Produktion hakt.
Zwei der drei in der EU zugelassenen Impfstoffe werden zu großen Teilen in Belgien hergestellt. Neben Astrazeneca setzt der US-Konzern Pfizer mit dem deutschen Partner Biontech auf das Königreich. Der britische Pharmariese GSK will seinen Standort in Wavre in der französischsprachigen Wallonie nutzen, um Curevac bei der Impfstoff-Produktion zu unterstützen. Weshalb gerade Belgien?
Die Pharmaindustrie investiert hier jährlich über 1,5 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Das sind 40 Prozent aller privaten Forschungsinvestitionen im Land – doppelt so viel wie im europäischen Durchschnitt. Die Zahl der Forscher und Beschäftigten der Branche ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, wie Zahlen des belgischen Pharmaverbandes zeigen. Mehr als zehn Prozent aller belgischen Exporte sind Pharmazeutika.
In Flandern, dem niederländisch sprechenden Teil Belgiens, liegt Puurs-Sint-Amands. Dort produziert Pfizer 400 Millionen Impfdosen – unter anderem gegen Corona – und injizierbare Medikamente pro Jahr.

Foto: Isopix/Frederic Sierakowski
Die Geschichte von Pfizer in Puurs (26.000 Einwohner) begann 1963, als sich Upjohn, später von Pfizer übernommen, hier niederließ. Heute ist das Werk einer der größten Produktions- und Verpackungsstandorte von Pfizer weltweit. Pfizer erklärt, man schätze das Know-how der Mitarbeiter, das hohe Forschungsniveau und die zentrale Lage in Europa.
„In einer halben Stunde sind Sie am Brüsseler Flughafen oder im Hafen von Antwerpen“, sagt Bürgermeister Koen Van den Heuvel. 5000 Arbeitsplätze bringen die ansässigen Pharmaunternehmen seiner Gemeinde, allein 3000 bei Pfizer, 200 weitere Mitarbeiter sollen dem Unternehmen zufolge in Kürze eingestellt werden. „Die Arbeitslosenquote in Puurs ist eine der niedrigsten in der Provinz Antwerpen.“
Wenn Pfizer um etwas bittet, tue die Stadt ihr Bestes, um es zu erfüllen. Als es zum Beispiel zwei Windkraftanlagen aufstellen wollte, wurden diese problemlos genehmigt. „Gelegentlich werde ich kritisiert, dass wir den Bedürfnissen von Pfizer zu bereitwillig nachgeben. Aber für eine solche Ikone, die so vielen unserer Familien Arbeitsplätze bietet, ist etwas Wohlwollen erlaubt“, sagt Van den Heuvel.
In Belgien, nach England eines der ersten industrialisierten Länder Europas, habe sich seit der Niederlassung von Pharmafirmen in den 50er-Jahren die Zusammenarbeit von Wirtschaft, Politik und Forschung intensiviert, erklärt David Gering vom Pharmaverband. Wer in Forschung und Entwicklung investiert, zahlt weniger Steuern. Bei klinischen Studien würden Anträgen schneller genehmigt als andernorts. Und beim Export profitierten die Unternehmen von der zentralen Lage des Landes in Europa.
Doch geht auch im Pharmaland Belgien bisweilen einiges schief. Sowohl Biontech/Pfizer als auch Astrazeneca kündigten zuletzt Verzögerungen bei den Lieferungen in die EU-Staaten an, und in beiden Fällen hieß es: Produktionsprobleme in Belgien.