Merkwürdige Planung
Verfassungsschutz warnt vor China, während dessen Regierungschef Kanzler Scholz trifft
Innenministerin und Verfassungsschutzpräsident warnten bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts vor chinesischer Spionage und Einflussnahme, während sich Mitglieder beider Regierungen im Kanzleramt trafen

Sowas nennt man dann wohl gutes Timing ... Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang im Berliner Kanzleramt konferierte, stellten Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang den Verfassungsschutzbericht 2022 vor. Der warnt vor chinesischer Spionage und chinesischer Einflussnahme.
Insgesamt und nicht nur als Folge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine gab es 2022 mehr Spionagefälle. Der Generalbundesanwalt leitete dazu 28 Ermittlungsverfahren ein, nach 25 Verfahren im Vorjahr. Sie richteten sich etwa gegen mutmaßliche Zuträger russischer, türkischer und marokkanischer Geheimdienste.
Brutale Russen, subtilere Chinesen
Russische Nachrichtendienste bedienten sich teilweise drastischer Methoden und schreckten in äußerster Konsequenz auch nicht vor der Tötung von Oppositionellen und Abtrünnigen zurück, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). „Diese sehr robuste Art des Vorgehens, so etwas sehen wir bei Chinesen nicht.“
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Aber: Der Verfassungsschutz hält die Volksrepublik derzeit für „die größte Bedrohung in Bezug auf Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage sowie ausländische Direktinvestitionen in Deutschland“. Staatliche chinesische Akteure versuchten, „führende Persönlichkeiten aus der deutschen Wirtschaft unter Ausnutzung der Abhängigkeit einzelner deutscher Unternehmen vom chinesischen Markt“ für die Durchsetzung der Interessen der Kommunistischen Partei Chinas zu instrumentalisieren.
Auch sonst hat der Bericht einige besorgniserregende Aspekte.
Rechtsextremismus: Die Zahl der Menschen, die dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet werden, stieg im Vergleich zum Vorjahr um rund 14,5 Prozent auf 38.800. Einer der Gründe dafür ist, dass das BfV nun auch Angehörige der AfD hinzurechnet: Sie wird inzwischen als Verdachtsfall beobachtet. Die Einstufung als Verdachtsfall hatte das Kölner Verwaltungsgericht im März 2022 bestätigt. Die AfD legte Berufung ein. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Der VS „Nach eigener Aussage hatte die Partei im Juli 2022 circa 28.500 Mitglieder. Angesichts der weiterhin bestehenden inhaltlichen Heterogenität innerhalb der Partei können allerdings nicht alle Parteimitglieder als Anhänger der extremistischen Strömungen betrachtet werden.“ Das Bundesamt schätzt, dass 10.200 Mitglieder der AfD und ihrer Parteijugend (Junge Alternative) diesen Strömungen zuzurechnen sind.
Sorgen macht dem Inlandsgeheimdienst, dass sich in Internet-Foren der „Attentäter-Fanszene“ oftmals sehr junge Menschen radikalisieren und gegenseitig zu Gewalttaten aufstacheln.
Nach einem Anstieg um 3,7 Prozent gab es den Angaben zufolge im vergangenen Jahr rund 14.000 gewaltbereite Rechtsextremisten.
Berlin mit den meisten rechtsradikalen Gewalttaten
Die höchste Zahl an Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund (136) gab es laut Statistik in Berlin.
Linksextremismus: Dessen Potenzial wuchs laut VS im vergangenen Jahr um 5,2 Prozent auf 36.500 Menschen an. Eine große Gefahr geht demnach von kleinen, im Geheimen agierenden Gruppen aus, die mit großer Brutalität insbesondere gegen den politischen Gegner, insbesondere Rechtsextremisten, vorgehen.
Linksextremistische Gewalt richte sich aber auch gegen Polizeikräfte, die teilweise in Hinterhalte gelockt würden. Haldenwang verwies auf einen Fall in Leipzig, wo eine Flasche mit brennbarer Flüssigkeit auf einen Polizisten geworfen worden sei. „Wäre der Polizist getroffen worden, man weiß nicht, wie es ausgegangen wäre“, sagte er.
Mehr als jeder vierte Linksextremist in Deutschland wird vom VS als gewaltorientiert angesehen.
Sachsen verzeichnete die meisten linksextremen Gewalttaten
Die meisten von Linksextremisten verübten Gewalttaten (173) wurden 2022 aus Sachsen gemeldet.
Neue Kategorie„Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“: Der VS hatte 2021 diesen neuen Phänomenbereich definiert. Der Entschluss, die Kategorie zu etablieren, war auch eine Folge der Aktionen radikaler Gegner der staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen. Jetzt legt der Verfassungsschutz erstmals Zahlen dazu vor.
Der Dienst sieht hier ein Potenzial von rund 1400 Menschen bundesweit. Etwa 280 Menschen aus diesem Spektrum werden als gewaltorientiert eingestuft. Dabei geht es um Menschen, die nicht dem klassischen Rechts- oder Linksextremismus zuzuordnen sind, und nach Einschätzung des Verfassungsschutzes versuchen, „Krisensituationen und Ängste in der Bevölkerung zu instrumentalisieren, um staatliche Stellen und politische Verantwortungsträger zu diskreditieren“.
Haldenwang: „Wir stellen fest, dass Grenzen innerhalb von Phänomenbereichen verschwimmen und sich Mischszenen bilden.“
Islamismus: Haldenwang berichtet weiter, die Bedrohung durch islamistischen Terrorismus sei nach wie vor hoch. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erinnerte an Festnahmen in jüngster Zeit: „Unsere Sicherheitsbehörden haben in diesem Jahr bereits zwei mögliche islamistische Anschläge in Castrop-Rauxel und in Hamburg verhindert.“

Kastrierte Pressekonferenz: Fragen waren nicht erwünscht
Zurück zu China: Eine gemeinsame Erklärung von Scholz und Li gab es nicht, lediglich eine kastrierte Pressekonferenz, auf der auf chinesischen Wunsch keine Fragen von Journalisten zugelassen waren. Dort sagte der Kanzler, China solle seinen Einfluss auf Russland stärker geltend machen, um Moskau zur Beendigung des Krieges gegen die Ukraine zu bewegen.
Scholz betonte, es sei wichtig, dass China weiter keine Waffen „an den Aggressor Russland“ liefere. Er erinnerte an seinen China-Besuch im November, bei dem gemeinsam mit Präsident Xi Jinping klargestellt worden sei, dass es keine Drohung mit und „schon gar keinen Einsatz“ von Atomwaffen geben dürfe. „Das gilt unverändert fort und ich bin dankbar für diesen gemeinsamen klaren Standpunkt.“
Zum Thema Ukraine sagte Chinas Ministerpräsident in Berlin öffentlich – nichts
Der chinesische Regierungschef ging bei dem Auftritt vor der Presse nicht auf den Appell des Kanzlers ein, auf Chinas „strategischen Partner“ Russland einzuwirken.
China hat die Invasion bis heute nicht verurteilt und gibt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vielmehr Rückendeckung, kritisiert die USA und Nato.
Li Qiang bekräftigte das Interesse Chinas an einem Ausbau der Kooperation mit Deutschland. China und Deutschland sollten die Beziehungen „auf ein immer höheres Niveau bringen“. Er verwies auf die „komplexe“ internationale Lage und die mangelnde Wachstumsdynamik der Weltwirtschaft. „Wenn wir die Zusammenarbeit in Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft verstärken, werden wir einen Beitrag zur Stabilität der Weltwirtschaft leisten.“

Scholz und die ewige Klage über unfaire Behandlung deutscher Firmen durch China
Scholz sprach noch das Thema Menschenrechte in China an und das ewige Thema gleichrangiger Wirtschaftschancen. „Würdige Produktionsbedingungen und damit verbunden Verbesserungen der Menschenrechtslage sind in unser beider Interesse“, stellte er fest, und mahnte wie viele vor ihm Verbesserungen beim Zugang zum chinesischen Markt sowie faire Wettbewerbsbedingungen an.
Einigermaßen konkret wurde es mit Scholz' Ankündigung, dass im November ein deutsch-chinesisches Umweltforum geplant sei. Es sei auch eine Absichtserklärung zur Elektro- und Wasserstoffmobilität unterzeichnet worden, um eine begonnene Zusammenarbeit fortzuführen.