AfD-Politiker

Verbände entsetzt: Björn Höcke will Schulen von Teilhabe behinderter Kinder „befreien“

In einem MDR-Interview bezeichnete Höcke die Unterrichtung von Kindern mit Behinderungen an Regelschulen als eines von mehreren „Ideologieprojekten“. 

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Die vom MDR herausgegebene Aufnahme zeigt Moderator Lars Sänger (l.) im Gespräch mit Björn Höcke, Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion in Thüringen, während des Sommerinterviews.  
Die vom MDR herausgegebene Aufnahme zeigt Moderator Lars Sänger (l.) im Gespräch mit Björn Höcke, Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion in Thüringen, während des Sommerinterviews. Jens Borghardt/MDR/dpa

Äußerungen des Thüringer AfD-Rechtsaußen Björn Höcke haben Entsetzen bei Behindertenvereinen und Gewerkschaften ausgelöst. Höcke hatte am Mittwoch im „Sommerinterview“ des MDR gesagt, dass Inklusion, also die Unterrichtung von Kindern mit Behinderungen an Regelschulen, eines von mehreren „Ideologieprojekten“ sei. Es gelte, das Bildungssystem davon zu „befreien“.

AfD-Politiker Björn Höcke zählt zum extrem rechten Lager der AfD; Thüringens Verfassungsschutz stuft seinen Landesverband als „gesichert rechtsextremistisch“ ein. In dem MDR-Interview sagte Höcke wörtlich: „Unter anderem müssen wir das Bildungssystem auch befreien von Ideologieprojekten, beispielsweise der Inklusion, beispielsweise auch dem Gender-Mainstream-Ansatz.“ Er fügte hinzu: „Alles das sind Projekte, die unsere Schüler nicht weiterbringen, die unsere Kinder nicht leistungsfähiger machen und die nicht dazu führen, dass wir aus unseren Kindern und Jugendlichen die Fachkräfte der Zukunft machen.“

Entsetzt über diese Aussagen zur Inklusion

Die Bundesvorsitzende der gemeinnützigen Bundesvereinigung Lebenshilfe, Ulla Schmidt, sagte dem Magazin Spiegel: „Wir sind entsetzt über die Auslassungen von Herrn Höcke im MDR-Sommerinterview zum Thema Inklusion.“ Sie füge hinzu: „Dieses Recht in Frage zu stellen, erachten wir als Tabubruch und schlicht als Skandal. Angesichts dieser menschenfeindlichen Haltung können wir nur ahnen, wie Herr Höcke mit Menschen mit Behinderung umgehen möchte“, sagte die ehemalige Bundesgesundheitsministerin.

Auch Anja Bensinger-Stolze von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sagte: „Jedes Kind, jeder Jugendliche hat das Recht inklusiv - also an einer Regelschule - unterrichtet zu werden.“ Die GEW wende sich „gegen jegliche Ausgrenzung und Selektion“, betonte sie.

„Angriff auf die Menschenwürde“

Die Bereichsleiterin für Kommunikation der Organisation „Aktion Mensch“, Christina Marx, sagte dem Magazin: „Inklusion ist kein Ideologieprojekt, Inklusion ist ein Menschenrecht. Sie abzuschaffen ist ein Angriff auf die Menschenwürde.“ Gemeinsames Aufwachsen und Lernen von Anfang an befähigten dazu, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen - genau das brauche eine zukunftsorientierte Gesellschaft aktuell mehr denn je.

Deutschland hat 2009 die Uno-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und sich damit zum Recht auf gleichberechtigte Teilhabe für alle Menschen bekannt.

Der MDR interviewt im August Spitzenpolitiker aller im thüringischen Landtag vertretenen Parteien. Mit Blick auf Höcke hatte der Sender bereits im Vorfeld erklärt, warum er auch dem AfD-Rechtsaußen eine Plattform bietet. „Es ist unsere Aufgabe, die Positionen in der Thüringer Politik für die Menschen im Freistaat transparent zu machen und einzuordnen.“ Und weiter: „Ein Ausschluss der prägenden Figur der Thüringer AfD, die im Thüringer Landtag die drittgrößte Fraktion stellt, verträgt sich nicht mit unserem journalistischen Auftrag.“

Umfragen sahen sie im Freistaat zuletzt mit Werten zwischen 28 und 34 Prozent als stärkste Kraft - noch vor der Linken von Ministerpräsident Bodo Ramelow. Derzeit ist die AfD im Parlament nach Abgängen von Abgeordneten die drittstärkste Fraktion.