Zusammentreffen von Demonstranten in Waukegan, Illinois.
Zusammentreffen von Demonstranten in Waukegan, Illinois. Foto: Imago Images/Mark Hertzberg

Die meisten Amerikaner blicken mit einer gewissen Sorge auf den Ausgang der Präsidentenwahl in der kommenden Woche. Eine normale, glatte Wahl erwartet kaum jemand. Auch für die Wochen nach der Wahl werden unruhige Zeiten erwartet. Von den Parteiführern des Senats bis zu den lokalen Wahlhelfern, von der Bundespolizei bis zum lokalen Streifenpolizisten – alle stellen sich auf einen Wahltag mit viel Stress, unübersichtliche Wahlergebnisse und eine lange Prozedur zum Auszählen der Stimmen ein.

Es wird alles für möglich gehalten: Die Szenarien reichen von Gewalt an den Wahllokalen bis zu einer verfrühten Siegesrede eines der Kandidaten, die es darauf anlegt, ein Ergebnis zu verkünden, bevor alle Stimmen ausgezählt sind. Für den Fall, dass es Streit um die Anzahl der Stimmen gibt, wäre auch eine weitere Variante denkbar: Die Bundesstaaten könnten im Streitfall per Dekret die Wahlmännerlisten bestimmen.

Kaum jemand zweifelt, dass es Gewalt geben könnte. Viele bereiten sich vor wie die Küstenbewohner auf eine aufziehende Sturmflut. Die Billigkette Walmart hat Waffen und Munition aus den Regalen verbannt. Der Internet-Riese Facebook versucht, die politisierten Inhalte in den Tagen vor der Wahl zu bremsen oder gar zu entfernen.

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Kaum ein Einzelner dürfte sich allerdings so gründlich auf ein mögliches Wahl-Chaos vorbereitet haben wie der linke Aktivist und Quäker George Lakey. Er will den landesweiten Widerstand für den Fall organisieren, dass Amtsinhaber Donald Trump im Fall einer Niederlage das Weiße Haus nicht freiwillig räumt. Sein Vorbild: der Widerstand gegen den Kapp-Putsch in der Weimarer Republik im Jahr 1920. Als der Offizier Wolfgang Kapp und seine Nationale Vereinigung damals versuchten, mit Unterstützung von Teilen der Reichswehr um General Ludendorff die Macht in Berlin zu übernehmen, kam es in der roten Hauptstadt zu einem Generalstreik. Kaum 100 Stunden später war der Putsch gescheitert, der Streik hatte die Stadt Berlin lahmgelegt. Genau diese Strategie will der 82-jährige George Lakey übernehmen, der schon in den 60er-Jahren für sein Handbuch des Widerstands bekannt geworden ist.

Als Präsident Trump und sein Generalsstaatsanwalt Bill Barr in diesem Sommer während der „Black Lives Matter“-Proteste die Bundespolizei nach Portland, Oregon, schickten, war George Lakey alarmiert. Er dachte, dass die Trump-Regierung genauso während oder nach der Wahl agieren könnte. Er gründete die Gruppe „Choose Democracy“, die mit fast 50.000 Anhängern seit Wochen per Zoom-Telekonferenz in Sachen Generalstreik übt.

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Demonstrationen und Aufmärsche haben nach Lakeys Einschätzung eine zu geringe Wirkung. Er will einen Putsch. Dazu braucht es  Wochen und Monate der Vorbereitung. Lakey versucht, die Verbindungen zwischen den Aktivisten von Black Lives Matter, Klimaaktivisten, Migrantengruppen, streikenden Lehrern sowie Hilfsgruppen in der Pandemie herzustellen. Diese aktiven Bürger sollten die Basis eines Generalstreiks bilden. Wichtig seien auch Symbole, wie etwa ein gemeinsamer Schwur oder ein Eid des Widerstands, um die psychischen Voraussetzungen zu festigen. Für Lakey sind die wichtigste Gruppe des Widerstands die Angestellten der Bundesregierung sowie alle Menschen, die im Ernstfall das Land praktisch und technisch runterfahren könnten. Er setzt auf Dezentralisierung, wobei ihm hier die weitgehende Vernetzung im Zug der Pandemie entgegenkommt.

Auch die Republikaner haben ihre militanten Vorfeldorganisation. Seit zwanzig Jahren unterhält Trump enge Verbindungen zu den Sportlern des Kampfsports „Mixed Martial Arts“. Schon im Jahr 2001, als der Sport in der Öffentlichkeit noch als barbarisch galt, hat Trump in seinem Kasino-Unternehmen Trump Taj Mahal in New Jersey Kämpfe veranstaltet. Die Kämpfer waren eine gute Wette. Vor 20 Jahren zahlte ein Käufer für die Dachorganisation des Sports „Ultimate Fighting Championschip“ (UFC) zwei Millionen Dollar, vor kurzem wurden sie für vier Milliarden Dollar wiederverkauft. Trump hat bis heute die Loyalität der UFC mit ihren 42 Millionen Fans, die in ihren gut vernetzten und lokalen Gruppen ideal für die politische Basisarbeit sind. Trump pflegt enge Beziehungen zu diesen Sportlern. Er gratuliert ihnen per Telefon vor Millionenpublikum nach ihren Siegen. Stars wie der Miami-Kämpfer Jorge Masvidal haben Millionen Follower auf Instagram und machen für Trump aktiven Wahlkampf.