Schwere Vorwürfe nach Dammsprengung

Ukraine: Russen beschießen Boote mit Zivilisten, die vor den Dnipro-Fluten fliehen

Beim Versuch, die Überschwemmungsgebiete auf russisch besetzter Seite des Dnipro per Boot zu verlassen, sollen drei Menschen von Russen erschossen worden sein.

Teilen
Vitalii Shpalin (60) sitzt im Bett einer Klinik der Region Cherson auf der von der Ukraine befreiten Nordseite des Dnipro. Er wurde von Russen angeschossen, als ein Rettungsboot ihn und andere Menschen von der russisch besetzten Seite des Flusses holte.
Vitalii Shpalin (60) sitzt im Bett einer Klinik der Region Cherson auf der von der Ukraine befreiten Nordseite des Dnipro. Er wurde von Russen angeschossen, als ein Rettungsboot ihn und andere Menschen von der russisch besetzten Seite des Flusses holte.Evgeniy Maloletka/AP

Die ukrainische Staatsführung hat Russland tödliche Schüsse auf Boote vorgeworfen, die Zivilisten nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms aus dem gefluteten Kriegsgebiet Cherson retten sollten. „Sogar Tiere haben mehr Moral als Sie, russischer Staat“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj. „Russische Terroristen beschießen weiter Evakuierungswege, Evakuierungspunkte, Boote, die die Menschen wegbringen.“

Lesen Sie auch: Ein wildes Leben ist vorbei >>

Ein solches Boot mit 21 Menschen war laut ukrainischen Behörden am Sonntag von Russen beschossen worden, in dem die Zivilisten sich aus dem russisch besetzten Teil des Gebiets Cherson südlich des Dnipro in Sicherheit bringen wollten. Drei Menschen seien getötet und zehn verletzt worden.  

Selenskyj: Internationaler Strafgerichtshof untersucht Dammzerstörung. Pegel sinken

Selenskyj sagte, Vertreter des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag hätten sich in Cherson selbst ein Bild von der Lage gemacht und mit der Untersuchung der Katastrophe begonnen.

Rettungskräfte bringen eine verletzte Zivilistin in Sicherheit, die unter Beschuss der russischen Streitkräfte geraten war, während sie versuchte, mit einem Boot vom russisch besetzten Ufer des über die Ufer getretenen Dnipro in das ukrainisch kontrollierte Cherson  zu fliehen.
Rettungskräfte bringen eine verletzte Zivilistin in Sicherheit, die unter Beschuss der russischen Streitkräfte geraten war, während sie versuchte, mit einem Boot vom russisch besetzten Ufer des über die Ufer getretenen Dnipro in das ukrainisch kontrollierte Cherson zu fliehen.AP

Inzwischen ist der Wasserstand des Dnipro entlang seines Unterlaufs nach Behördenangaben weiter gesunken. In der Region soll der durchschnittliche Wasserstand des Flusses inzwischen um zwei Meter auf etwa 3,60 Meter gesunken sein, wie der ukrainische Rettungsstab zur Bekämpfung der Folgen der Dammzerstörung am Montag  mitteilte.

In Folge der Damm-Zerstörung am Dienstag war das Wasser an manchen Orten wie in der nahe gelegenen, von Russen besetzten Stadt Nowa Kachowka um mehr als zehn Meter gestiegen, wie russische Medien berichteten.

Laut Rettungsstab hat der Kachowka-Stausee seit der Zerstörung des Damms 72 Prozent seines Wassers verloren. Die abgeflossene Wassermenge von 14,4 Kubikkilometer entspricht etwa einem Drittel des Inhalts des Bodensees.

Auf der ukrainisch kontrollierten Nordseite des Dnipros sollen dadurch noch 32 Siedlungen mit rund 3800 Gebäuden unter Wasser stehen, wie der ukrainische staatliche Notfalldienst DSNS am Montag vermeldete. 14 weitere Siedlungen sind demnach auf der russisch besetzten Flussseite betroffen.

Lesen Sie auch: Wüste Behauptungen über ein Aus des Bierkastens, und was wirklich stimmt >>

Zerstörung des Kachowka-Staudamms soll bislang 14 Menschenleben gekostet haben

Der Kachowka-Staudamm wurde in der Nacht zum 6. Juni zerstört, aller Wahrscheinlichkeit nach von russischen Truppen gesprengt. Dadurch wurde eine  Umweltkatastrophe ausgelöst. Bislang war zudem von insgesamt 14 Toten die Rede, davon acht in dem von Russland kontrollierten Teil des Gebiets. Allein dort gelten noch 35 Menschen als vermisst, unter ihnen sieben Kinder.

Während weiter östlich heftig gekämpft wird und die Ukraine die Rückeroberung einiger Orte meldete, wollten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Polens Präsident Andrzej Duda am Montagabend in Paris mit Präsident Emmanuel Macron zu einem Abendessen fliegen. Dabei soll es vor allem um die weitere Unterstützung des ukrainischen Abwehrkampfs und die Vorbereitung des im Juli geplanten Nato-Gipfels in Vilnius gehen soll.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg reist zu einem zweitägigen Besuch nach Washington, wo er am Montag zu einem Gespräch mit US-Präsident Joe Biden und Außenminister Antony Blinken im Weißen Haus erwartet wird.

DRK schickt Rettungsboote, Rettungswesten und Neopren-Anzüge

Wegen der Zerstörung des Staudammes  schickt das Deutsche Rote Kreuz (DRK) weitere Hilfslieferungen in das Überschwemmungsgebiet mit etwa 16.000 betroffenen Menschen.

Wie das DRK am Montag  mitteilte, soll ein Transport mit zwei Rettungsbooten, 6000 Hygiene-Kits, 200 Neopren-Anzügen und 100 Rettungswesten am Dienstag auf die Reise gehen. Der ungefähre Warenwert der Hilfsgüter aus Sachsen belaufe sich auf etwa 400.000 Euro.

Zugleich bat das DRK um Spenden für die Menschen in der Region. IBAN: DE63370205000005023307 BIC: BFSWDE33XXX Stichwort: Nothilfe Ukraine