Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich kritisiert, dass die Ukraine ihn auf eine „Terrorliste“ gesetzt habe.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich kritisiert, dass die Ukraine ihn auf eine „Terrorliste“ gesetzt habe. dpa/Kay Nietfeld

Der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Rolf Mützenich, fühlt sich von der Ukraine schlecht behandelt. „Ich bin schon irritiert gewesen, dass ich von der ukrainischen Regierung auf eine Terrorliste gesetzt wurde mit der Begründung, ich setze mich für einen Waffenstillstand ein oder für die Möglichkeit, über lokale Waffenruhen auch in weitere diplomatische Schritte zu gehen“, sagte Mützenich am Samstag beim SPD-Debattenkonvent in Berlin.

Weil er auf der „Terrorliste“ stehe, habe er sogar Drohungen bekommen. „Auf dieser Grundlage, dass man auf diese Terrorliste der ukrainischen Regierung gekommen ist, hat man ja sozusagen dann auch Sekundärdrohungen bekommen. Auch nicht gerade einfach, damit umzugehen.“

Angebliche „Terrorliste“ wies auf Kreml-Desinformationen hin

Das ukrainische Außenministerium hat derweil die Darstellung von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dementiert, nach der er in Kiew auf eine „Terrorliste“ gesetzt worden sei. „Die ukrainische Regierung führt keine Terrorliste“, schrieb der ukrainische Außenamtssprecher Oleh Nikolenko am Samstagabend auf Facebook. „Und soviel ich weiß, gibt es in der Ukraine auch kein Verfahren gegen Rolf Mützenich.“ Alle Behauptungen des deutschen Politikers über seine angebliche Verfolgung durch ukrainische Behörden seien „unwahr“.

Mützenich bezieht sich mit dem Vorwurf wahrscheinlich auf eine Liste, die das „Zentrum gegen Desinformation des nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine“ bereits im Juli im Internet veröffentlicht hatte. Auf der Liste standen 75 Persönlichkeiten. Der Vorwurf: die „Verbreitung von Narrativen“, die mit russischer Propaganda übereinstimmten. Mützenich stand auch auf der Liste.

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Bei der Veröffentlichung hieß es, die genannten Personen seien in der Ukraine unerwünscht. Mützenich sei mit dem Hinweis aufgeführt gewesen, dass er sich für einen Waffenstillstand einsetze. Neben dem SPD-Fraktionschef waren dort auch andere Deutsche aufgeführt, die von der Ukraine immer wieder für ihre Positionen in Bezug auf den russischen Angriffskrieg kritisiert werden.

Neben Mützenich waren unter anderem auch die Publizistin Alice Schwarzer und der Politikprofessor Johannes Varwick aufgeführt. Ob die Seite tatsächliche Konsequenzen hatte, ist nicht bekannt. Sie lässt sich inzwischen auch nicht mehr aufrufen.

SPD-Fraktionsvorsitzender sieht sich in Ampel-Koalition diskriminiert

Mützenich sagte, wenn der Einsatz für einen Waffenstillstand ein Kriterium für eine solche Liste sei, dann müsse auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres darauf gesetzt werden. Er beklagte eine „Diskriminierung“ derjenigen, die sich wie er selbst für Diplomatie mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine starkmachen.

Er warf diese Diskriminierung auch den Koalitionspartnern der SPD vor, also den Grünen und der FDP. „Das geht ja bis hinein auch teilweise zu den Koalitionspartnern. Gegen diesen Rigorismus, gegen den wende ich mich.“ Mützenich verteidigte seine Forderung nach mehr Diplomatie vehement: „Es bleibt dabei: (...) Die meisten Kriege sind am Ende nicht auf dem Schlachtfeld beendet worden.“

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Aus den Reihen des Koalitionspartners ließ dann auch die Kritik nicht lange auf sich warten. Die grüne Bundestagsabgeordnete Sara Nanni, die sich immer wieder für Waffenlieferungen an die Ukraine ausspricht, kritisiert bereits die Wortwahl von Mützenich. „Einer Regierung so einen Vorwurf zu machen ist schon allerhand“, schrieb Nanni auf Twitter.

Auch der ehemalige Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, hat sich mittlerweile zu dem Vorwurf geäußert und weist die Behauptung Mützenichs zurück: „Es gibt keine ‚Terrorliste‘ der ukrainischen Regierung. Hören Sie mal auf, sich als ‚unschuldiges Opfer‘ darzustellen“, schrieb Melnyk im Kurznachrichtendienst Twitter. In einem zweiten Tweet legte er gar noch nach und schrieb, Mützenich würde die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ torpedieren.