Russlands Massenmord am Himmel: Drei Angeklagte wegen Flugzeugabschuss mit 298 Toten verurteilt
Am 17. Juli 2014 wurde ein Passagierflugzeug über dem Osten der Ukraine mit einer russischen Rakete abgeschossen. Die zu lebenslanger Haft Verurteilten sind aber frei. Sie sind in Russland.

Ein niederländisches Gericht hat geurteilt, aber das Urteil acht Jahre nach dem Abschuss des Fluges MH17 ist nur eine halbe Genugtuung: Keiner der drei zu lebenslanger Haft verurteilten Angeklagten, die 2014 während der Kämpfe zwischen Separatisten und der ukrainischen Armee 298 Menschen auf einen Schlag ermordet hatten, wird ins Gefängnis kommen. Sie sind wahrscheinlich in Russland, das nicht ausliefert. Ein vierter Angeklagter wurde freigesprochen.
Es war ein strahlender Sommertag, als die Boeing 777 der Malaysia Airlines mit der Flugnummer MH17 am 17. Juli 2014 vom Amsterdamer Flughafen Schiphol in Richtung Kuala Lumpur abhob. Keine drei Stunden später waren alle Menschen an Bord tot, darunter 80 Kinder. In gut 10 Kilometer Höhe über umkämpftem Gebiet in der Ostukraine war um 15:20 Uhr an der linken Seite des Cockpits eine Rakete explodiert.

192 Niederländer, 43 Malaysier und 27 Australier stellten die größten Opfergruppen, vier Deutsche starben. Wegen der vielen niederländischen Opfer fand der Prozess in ihrem Heimatland statt, in einem Gerichtssaal beim Flughafen Schiphol.
Die erste, vielleicht wichtigste Feststellung war: MH17 wurde von einer russischen Rakete abgeschossen. Und: Seit Mai 2014 standen die Konfliktregion und die Rebellen faktisch unter russischer Kontrolle. Das weist Moskau am Ende die Verantwortung für den Massenmord zu.
Lesen Sie auch, welche Haftstrafe der NSU 2.0-Drohbriefschreiber bekommen hat >>
Drei Russen und ein ukrainischer Separatist waren angeklagt, ein Russe wurde freigesprochen
Die Angeklagten hatten damals hohe Funktionen bei den prorussischen Separatisten im ostukrainischen Donbass, die gegen eine seinerzeit hoffnungslos unterlegene ukrainische Armee kämpften.
Schuldig gesprochen: Igor Girkin (51), genannt Strelkow, war einst russischer Geheimdienstoffizier und zum Zeitpunkt des Abschusses Verteidigungsminister und Armeechef der selbsternannten Volksrepublik Donezk, über deren Gebiet der Abschuss stattfand.

Schuldig gesprochen: Sergej Dubinski (60), ein russischer Ex-Offizier, war Girkins Vize.
Freigesprochen: Der Russe und Ex-Fallschirmjäger Oleg P. (56). Er war Dubinskis Assistent und der einzige, der Verteidiger in Den Haag auftreten ließ. Sie hatten seinen Freispruch gefordert.

Schuldig gesprochen: Leonid Chartschenko (50), ein Ukrainer, soll eine Kampfeinheit der Separatisten aus Donezk geleitet haben.
Sie hatten das Luftabwehrsystem des Typs Buk besorgt und für den Abschuss der Rakete verantwortlich, die drei Verurteilten werden weiter mit internationalem Haftbefehl gesucht. Die Anklage lautete auf Mord in 298 Fällen, legte eine Fülle an Beweisen vor: Fotos, Videos, Daten, abgehörte Funk- und Telefongespräche, Satellitenaufnahmen.

Trümmer und Tote über Dutzende von Quadratkilometern verteilt
Nach dem Abschuss lagen noch Wochen Trümmer, Gepäckstücke und Leichenteile in einem rund 50 Quadratkilometer großen Gebiet zwischen Sonnenblumenfeldern. Aus den Trümmern war die Maschine dann in den Niederlanden aus den Trümmern rekonstruiert worden.

Internationale Ermittler stellten fest, dass die Buk-Rakete aus Russland kam und der russischen Armee gehörte. Sie war den Ermittlern zufolge von einem Feld abgeschossen worden, das von den Rebellen kontrolliert wurde. Die Abschussvorrichtung war anschließend über die Grenze zurück nach Russland geschafft worden.
Moskau weist alle Vorwürfe entschieden zurück und macht vor allem die Ukraine verantwortlich. Ermittlungen und Gericht hat der Kreml auch nie anerkannt. Stattdessen gab es wüste Behauptungen, die in dem Märchen gipfelten, das auch Girkin verbreitete: Ein US-Geheimdienst habe ein Flugzeug voller Toter als Propaganda-Manöver abstürzen lassen.

Unter den Zuhörern im Gericht war auch Piet Ploeg. Er hatte vor acht Jahren auf einer Terrasse in den Niederlanden gesessen, trank ein Gläschen mit Kollegen, als der Bericht vom Absturz kam. An Bord waren auch sein Bruder Alex, seine Schwägerin Edith und ihr 21 Jahre alter Sohn Robert. Später an dem Tag drang es zu ihm durch: „Sie sind weg, für immer. Und das zerreißt dir das Herz.“
„Wir haben acht Jahre und vier Monate auf diesen Tag gewartet“, sagt Ploeg vor der Urteilsverkündung in dem Prozess, der 2020 begonnen hatte. Er ist auch Sprecher der Hinterbliebenen. „Wir hoffen, dass es ein Tag der Gerechtigkeit wird.“ Eine Hoffnung wurde mit der Zuweisung der Verantwortung an Russland erfüllt: „Denn kein Staat darf davonkommen mit Massenmord.“
