Putin hat die Teil-Mobilmachung verkündet und droht dem Westen mit nuklearer Eskalation.
Putin hat die Teil-Mobilmachung verkündet und droht dem Westen mit nuklearer Eskalation. AP/Pool Sputnik Kremlin

Die Welt erwartete mit Spannung, was Russlands Präsident Wladimir Putin am Dienstag verkünden würde. Doch er blieb den Kameras fern. Der russische Präsident sollte am Dienstagabend um 19 Uhr (MESZ) eine Rede halten, doch selbst Stunden später fehlte von ihm jede Spur. Zuvor hatte mehrere Kreml-Kanäle eine Rede Putins angekündigt. 

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Dann hieß es, Putin werde die Rede halten, wenn die russischen Regionen alle erwacht sind. Und so trat er am Mittwochmorgen vor die Kameras. Und was er ankündigte, hatte es in sich. Wenn auch nicht ganz so schlimm, wie erwartet.

Putin verkündet Teil-Mobilmachung und Teil-Kriegswirtschaft

Putin verkündete in seiner Rede am Mittwochmorgen die Teilmobilmachung. Diese betrifft vor allem Reservisten und Personen mit vorhergehender militärischer Ausbildung, speziellen Kenntnissen und Fähigkeiten. Wer eingezogen wird, soll ein weiteres Training durchlaufen.

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Auch sollen alle laufenden Verträge von Soldaten auf unbestimmte Zeit verlängert werden. Normalerweise laufen diese 3 bis 6 Monate.

Laut Angaben von Verteidigungsminister Sergej Schoigu soll dies rund 300.000 Mann betreffen. Die Regelungen sollen bereits am Mittwoch in Kraft getreten sein.

Zudem kündigte er verstärkte Anstrengungen in Richtung einer Kriegswirtschaft an. „Alle Fragen der materiellen und finanziellen Unterstützung sowie der Ressourcen der Verteidigungsunternehmen müssen von der Regierung unverzüglich gelöst werden“, sagte Putin.

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Zudem wurden die Begriffe „Mobilisierung“, „Kriegsrecht“ und „Kriegszeiten“ eingeführt. Auch werden in den Gesetzen Strafen für das Ergeben und Desertieren russischer Soldaten festgelegt. Während des Kriegsrechts stehe darauf eine Haft von zwei bis drei Jahren Haft. Plünderungen sollen laut Gesetz mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden.

Putin unterschrieb zudem Dekrete, die es Ausländern erleichtern sollen, im russischen Militär zu dienen. Zuvor hatte Russland bereits Söldner aus von Russland besetzten Gebieten in Georgien sowie aus Syrien und Afrika angeworben.

Mobilmachung war erwartet worden

Experten hatten zuvor befürchtet, dass der Diktator die Mobilmachung in Russland verkünden könnte. Darauf deuteten mehrere Gesetzesänderungen hin, die bereits am Dienstag in der Staatsduma, dem russischen Parlament, eingebracht wurden. Der Menschenrechtler Pawel Tschikow teilte am Dienstag bereits mit, dass die Begriffe „Mobilisierung“, „Kriegsrecht“ und „Kriegszeiten“ eingeführt wurden. 

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Tschikow wies zudem am Mittwoch darauf hin, dass das Putin-Dekret über die Teilmobilmachung keine Beschränkung auf Reservisten aufweise. Es sei sehr allgemeine formuliert. „Tatsächlich entscheidet das Verteidigungsministerium, wen es in den Krieg schickt, woher und in welcher Menge“, schreibt Tschikow auf in seinem Telegram-Kanal.

Das Verteidigungsministerium wird Quoten für jede russische Region festlegen. Die dortigen Gouverneure sind demnach für die Rekrutierung verantwortlich. Zunächst betreffe die Mobilisierung Reservisten. Wenn mehr als die von Schoigu geforderten 300.000 Soldaten benötigt würden, erlaube das Dekret „die Mobilisierung einer unbegrenzten Anzahl von Wehrpflichtigen“, so Tschikow. 

Noch mehr Russen fliehen ins sichere Ausland

Bereits gestern stiegen in der russischen Version der Suchmaschine Google die Suchanfragen stark zu, wie man „Russland verlassen“ oder sich die „Hand selbst verletzen“ könne, um dem Militärdienst zu entgehen.

Die Preise für einfach Flüge in die für Russen visafrei zugänglichen Staaten wie die Türkei, Georgien, Armenien oder Kasachstan versechsfachten sich seit Dienstag und steigen weiter.

Putin eskaliert den russischen Krieg in der Ukraine weiter

Den Schritt der Mobilmachung halten Russland-Experten für ein erhebliches Risiko für den Machterhalt Putins. Die Mobilisierung gilt in der Bevölkerung als extrem unpopulär. Ob sie aber tatsächlich zu Protesten führen würde, ist aber genauso fraglich. Vermutlich hat Putin deshalb nur eine Teilmobilmachung verkündet.

Neben der Mobilisierung der männlichen Bevölkerung geht es vor allem auch darum, die Industrie auf eine Kriegswirtschaft umzustellen. Fabriken sollen nun mit Priorisierung für das Militär produzieren.

Kreml soll „russische Gebiete heimholen“

Am Dienstagnachmittag hatten die russischen Besatzungsregime in den ukrainischen Gebieten „Referenden“ angekündigt. In den Teilen der Oblasten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson, die von Russland besetzt sind, sollen nun Scheinwahlen stattfinden. In Anbetracht der Militärbesatzung bestehen erhebliche Zweifel, dass die Wahlen frei stattfinden können. Für derartige Wahlen in Russland und besetzten Gebieten standen in der Vergangenheit schon häufig die Ergebnisse bereits vorher fest.

Zudem gilt die Bevölkerung, besonders in den nach Februar erst von Russland besetzten Gebieten der Ukraine, als feindselig gegenüber der russischen Besatzung.

Das hält die Kreml-Propaganda nicht davon ab, für die Annexion der Territorien zu rufen. Olga, Skabejewa, eine der Top-Frauen im Putin-TV, forderte die besetzten Gebiete „heimzuholen“.

Wladimir Putin versprach nun die nach seiner Ansicht „historischen Gebiete von Neurussland“ zu „beschützen“ und sie vor der „Unterdrückung durch das Kyjiwer Regime“ zu bewahren. Die Fake-Referenden sollen nun in der Zeit vom 23. bis 27. September stattfinden.

Putin droht mit nuklearer Eskalation

Wenn sich Russland die Gebiete erst einverleibt habe, könnte es mit einem Nuklearschlag drohen, falls die Ukraine ihre Angriffe dann fortsetzen würde, erklärt Sabine Adler, Russland-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik am Dienstag. „Jede ukrainische Gegenoffensive wird als direkter Angriff ‚gegen russisches Territorium‘ gewertet“, so Adler bei Twitter.

Und genauso kam es dann auch. Putin sprach davon, dass man die „Freiheit und Souveränität Russlands“, wenn nötig, „mit allen Mitteln“ verteidigen werde. „Wenn seine territoriale Integrität bedroht ist, wird Russland alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen. Das ist kein Bluff“, sagte der Diktator in seiner Ansprache.

Wie Russland-Expertin Sabine Adler am Dienstag bereits einschätzte, will Putin den Westen damit zur Unterbindung von Waffenlieferungen an die Ukraine zwingen. Denn wenn die Ukraine ihre Gebiete zurückerobern wolle, würde jeder ukrainische Angriff einen „Angriff auf russisches Territorium“ darstellen, der einen Nuklearschlag rechtfertigen würde.

Sicherheitsexperten wie Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität in München halten jeder der Schritte für eine schlechte Option. „Die Fake-Referenden, die mögliche Generalmobilmachung. Alles Zeichen russischer Schwäche, nicht Stärke“, schrieb er auf Twitter.

Ob Russland zu einer nuklearen Eskalation letztendlich bereit wäre, ist zumindest fraglich. Für den Fall eines Einsatzes von chemischen oder taktischen Atomwaffen hatte US-Präsident Joe Biden in einem Fernsehinterview bereits „massive Konsequenzen“ für Russland angekündigt.