Der russische Machthaber Wladimir Putin zeigt Bully-Verhalten, findet ein deutscher Psychologe.
Der russische Machthaber Wladimir Putin zeigt Bully-Verhalten, findet ein deutscher Psychologe. AP/Pool Sputnik Kremlin

Fast ein Jahr ist der offene Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine schon her. Seither tobt Wladimir Putins imperialistischer Krieg vor allem im Osten der Ukraine, doch auch die westlichen Landesteile stehen immer wieder unter Beschuss. Die große Aufmerksamkeit, die zu Beginn des Kriegs herrschte ist in Deutschland abgeebbt. Ein Effekt, auf den der russische Machthaber setzen dürfte, wie ein Angstforscher nun erklärt.

Russlands Krieg in der Ukraine: Die Aufmerksamkeit lässt nach

Ein Satz, der vor elf Monaten noch beinahe undenkbar war, macht inzwischen immer mehr die Runde. „Ich kann das mit der Ukraine langsam wirklich nicht mehr hören“, kommt längst immer mehr Menschen über die Lippen. Es ist wohl auch der Grund, warum russlandfreundliche offene Briefe und „Manifeste“ in denen gefordert wird, die Ukraine und die Menschen, die dort leben kampflos ins totalitär regierte Russland zu überführen, immer mehr Zuspruch bekommen, oder zumindest breiter diskutiert werden. 

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Russlands Krieg in der Ukraine hat bereits zahlreiche Todesopfer gefordert.
Russlands Krieg in der Ukraine hat bereits zahlreiche Todesopfer gefordert. AP/Emilio Morenatti

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Grundsätzlich sei das ein normaler Prozess, wie der Psychologe Jürgen Margraf, Leiter des Forschungs- und Behandlungszentrums für Psychische Gesundheit an der Universität Bochum gegenüber der Nachrichtenagentur dpa erklärte. „Man gewöhnt sich in den meisten Fällen auch an die ganz schlimmen Katastrophen im Leben. Nach einer gewissen Zeit ist man wieder auf dem Ausgangsniveau – egal was sich vorher ereignet hat.“ Das sei auch bei Russlands Krieg in der Ukraine nicht anders. 

Russlands Krieg in der Ukraine: Bei vielen Menschen lässt der Schock-Effekt nach

Hinzu komme, dass der Schockeffekt des Unbekannten nach einiger Zeit nachlasse. Dass es mitten in Europa wieder Krieg gebe, sei anfangs als hochgradig verstörend empfunden worden und habe zu einem erhöhten Informationsbedürfnis geführt. Dieses Stadium sei aber nun vorbei, das Informationsinteresse deutlich abgeebbt. Margraf ist sicher: Dieser Effekt ist Wladimir Putin bewusst. Möglicherweise spekuliere er auf das nachlassende Interesse westlicher Wählerinnen und Wähler. Damit einhergehen könne eine verringerte Bereitschaft, zur Unterstützung der Ukraine Einschränkungen im persönlichen Leben in Kauf zu nehmen.

Es sei schwer, aber sicher nicht unmöglich, gegen diese psychologischen Prozesse anzugehen, sagte Margraf. Politiker könnten gegensteuern, indem sie die Relevanz des Krieges auch für Deutschland herausstellten. „Putin legt ein klassisches Bully-Verhalten an den Tag“, sagte Margraf. „Ein Bully kann nur durch Stärke eingegrenzt werden – wahrgenommene Schwäche ist für ihn eine weitere Ermutigung zur Eskalation. Das müssen wir uns immer wieder klarmachen: Wenn wir uns diesem Bully nicht entschlossen entgegenstellen, macht der immer weiter.“

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Dass viele Menschen trotz des Gewöhnungseffekts solchen Argumenten gegenüber aufgeschlossen seien, zeige die Haltung zu Waffenlieferungen an die Ukraine. Trotz anfänglich großer Skepsis werde die Lieferung von Kampfpanzern Umfragen zufolge inzwischen von einer Mehrheit unterstützt.