„Offener Brief“ gegen schwere Waffen für die Ukraine: Putin hätte es nicht schöner sagen können!
„28 Intellektuelle und Künstlerinnen“ fordern einen „Kompromiss“ mit einem Land, das plant, ein zweites zu vernichten. Im Ernst?

In einem drastischen „offenen Brief“ der Zeitschrift Emma fordern 28 „Intellektuelle und Künstlerinnen Olaf Scholz auf, einen dritten Weltkrieg zu verhindern! Schon bei diesem Satz staune ich nicht schlecht: So weit reicht die Macht eines Bundeskanzlers, einen neuen Weltkrieg zu schüren oder zu verhindern?
Ausgedacht hat sich Sätze wie diesen Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer, sie hat diese Initiative angeschoben, vor dem Hintergrund, dass die Bevölkerung in der Frage von Waffenlieferungen für die Ukraine uneins ist: Zwar spricht sich laut jüngsten Umfragen eine Mehrheit der Deutschen für die Lieferung auch schwerer Waffen an das von Russland überfallene Land aus, etwa vier von zehn Leuten hält das jedoch für einen Fehler.
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„Russische Gegenschlag“: Waffen für die Ukraine wären also der Erstschlag?
Viele Leute stehen auch vor einem inneren Zwiespalt: „das Risiko einer Ausweitung auf ganz Europa, ja, das Risiko eines 3. Weltkrieges“, von dem Alice Schwarzer spricht, besteht tatsächlich. Allerdings ausschließlich deshalb, weil eine russische Regierung unter Wladimir Putin militärische Invasionspläne geschmiedet hat, die sogar über weit die Ukraine hinausreichen. Pläne, die explizit die Auslöschung und Einverleibung des nach Russland nach Fläche zweitgrößten Landes Europas vorsehen.
Den Namen Putin erwähnt Schwarzer übrigens nicht einmal, übernimmt stattdessen die Droh-Rhetorik des russischen Präsidenten, spricht allen Ernstes von einem „russischen Gegenschlag“ – der Erstschlag wäre Schwarzer zufolge also die Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland? Und dies, so lese ich weiter, würde dann die NATO aktivieren und einen Weltkrieg auslösen! So wie der Brief argumentiert, hatten russische Spitzenpolitiker gerade fast wortwörtlich geprochen: Putin, Lawrow, Medwedew.
Hätten sich andere Länder so naiv verhalten wie Deutschland, wäre die Ukraine längst vernichtet
Von wegen „atomarer Konflikt“: Es geht um genau ein Land, das ein anderes angreift, außer der Ukraine auch NATO-Staaten bedroht, und das nicht erst seit der Ukraine-Invasion, sondern seit Jahren. Russland alleine entscheidet, wann es chemische Waffen einsetzt, um eigene Interessen gegen alle Grenzen der Menschlichkeit zu erreichen - oder gar Atombomben zündet. „Einen Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können“: Den hatte man jahrelang versucht, mit Moskau auszuhandeln. Minsk II hieß das, und das Ergebnis ist vor den Augen der Welt in Butscha und Mariupol zu begutachten: Tausende Tote infolge eines unprovozierten Angriffskrieges, weil Russland es so wollte.
Die Unterzeichnenden des Briefes, darunter wunderbare Schauspieler wie Edgar Selge und Lars Eidinger, der kluge Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar und Schriftstellerin Juli Zeh („Über Menschen“) meinen es sicher gut mit ihrem Friedensappell. Aber wer der Ukraine den „berechtigten Widerstand gegen einen Aggressor“ zubilligt, wie kann man gleichzeitig diesem Land die Mittel dazu verwehren? Geeignete Mittel, um russische Truppen daran zu hindern, weitere Zivilisten im Land zu töten, das Land zu vernichten? Zu Beginn der Invasion hatte die Bundesregierung 5000 Helme an die Ukraine geliefert. Hätten sich andere Staaten so naiv verhalten wie Deutschland vor zwei Monaten, ständen russische Truppen wohl jetzt schon an der ukrainischen Grenze zu Polen, von der aus entschlossene Ukrainer in ihr Land zurückkehren, weil sie sich nicht vorstellen wollen, dass ihr Land von Russland unterdrückt oder ausgelöscht wird – anders als wohl einige derjenigen, die den „offenen Brief“ unterschrieben haben.