Ein düsterer Ort: Eines von hunderten Kreuzen, von schwachem Licht herausgehoben, zeugt vom Massengrab von Isjum.
Ein düsterer Ort: Eines von hunderten Kreuzen, von schwachem Licht herausgehoben, zeugt vom Massengrab von Isjum. AP/Evgeniy Maloletka

Notdürftig zusammengenagelte Kreuze im Wald zeugen von einem Massengrab: Zivilisten und ukrainische Soldaten sind dort verscharrt. Soldaten graben nach Toten, nachdem Minensucher am Werk waren. In der Stadt Isjum (Region Charkiw), die am vergangenen Sonnabend fluchtartig von russischen Truppen verlassen worden war, scheint es  Blutbäder wie beispielsweise in Butscha bei Kiew oder in Mariupol gegeben zu haben.

Oleh Kotenko, Vermisstenbeaufragter der Ukraine, fotografiert eines der Grabkreuze bei Isjum. 
Oleh Kotenko, Vermisstenbeaufragter der Ukraine, fotografiert eines der Grabkreuze bei Isjum.  AP/ Evgeniy Maloletka

Reporter der Nachrichtenagentur AP berichten über eine Stelle mit einer Markierung, dass dort 17 ukrainische Soldaten verscharrt wurden. Darum herum hunderte Einzelgräber mit Kreuzen. Bislang ist von rund 440 Toten die Rede, nach weiteren wird in Isjum und weiteren befreiten Landstrichen der Region gesucht.

Maria (M.) umarmt ihre Mutter Marina, Vater Alexander hat die Hand auf ihrem Rücken: Seit der Eroberung Isjums durch die jetzt verjagten Russen vor einem halben Jahr war die Familie getrennt.
Maria (M.) umarmt ihre Mutter Marina, Vater Alexander hat die Hand auf ihrem Rücken: Seit der Eroberung Isjums durch die jetzt verjagten Russen vor einem halben Jahr war die Familie getrennt. AP/ Evgeniy Maloletka

Angst vor Minen in den Gräbern

Die Suche werde durch Minen erschwert, sagte der ukrainische Vermisstenbeauftragte Oleh Kotenko. Dennoch: „Wir setzen die Arbeit fort (...), damit die Familien die Soldaten, die für die Ukraine gestorben sind, so schnell wie möglich angemessen ehren können.“ Die meisten Menschen seien umgekommen, als die Russen die Stadt mit Kanonen beschossen. Die Bestattungsdienste hätten zum Teil nicht gewusst, wer die vielen toten Menschen seien. Deshalb stünden auf einigen Kreuzen nur Nummern.  

Der russische Krieg gegen Zivilisten: Zerschossene Wohnhäuser von Isjum.
Der russische Krieg gegen Zivilisten: Zerschossene Wohnhäuser von Isjum. AP/ Evgeniy Maloletka

Vize-Innenminister Jewhen Jenin sagte, in mehreren befreiten Orten habe man Beweise für Folterkammern entdeckt. Leichen hätten Spuren von  Folter aufgewiesen.

Deutschland nimmt Ermittlungen wegen russischer Kriegsverbrechen auf

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP)  gab auf Twitter bekannt, man habe Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen aufgenommen. Sie „dürfen & werden nicht ungesühnt bleiben“.

Das Untersuchungsteam des UN-Menschenrechtsbüros in Genf will Isjum so schnell wie möglich aufsuchen. Die Todesursache jedes einzelnen Verstorbenen müsse untersucht werden.

„Wir wollen, dass die Welt erfährt, (...) wozu die russische Okkupation geführt hat“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj. „Butscha, Mariupol und jetzt leider auch Isjum: Russland hinterlässt überall Tod und muss sich dafür verantworten. Die Welt muss Russland zur echten Verantwortung für diesen Krieg ziehen.“ 

Der Vermisstenbeauftragte Kotenko relativierte den Vergleich mit Butscha, wo von Russen getötete Zivilisten auf den Straßen lagen: „Ich möchte das nicht Butscha nennen - hier wurden die Menschen, sagen wir mal, zivilisierter beigesetzt.“

Ukrainischer Präsident: Russische Armee ist feige und unfähig

Er nannte Russland erneut als „Terrorstaat“, der mit Angriffen auf  Energie-Infrastruktur und Staudämme  versuche, „Feigheit und Unfähigkeit seiner Streitkräfte“ wettzumachen.

Ukrainische Fallschirmjäger in einem zu einem Gefechtsfahrzeug umgebauten Pkw.
Ukrainische Fallschirmjäger in einem zu einem Gefechtsfahrzeug umgebauten Pkw. AP/ Evgeniy Maloletka

Die Ukrainer hatten die Russen bis zum vergangenen Wochenende aus der Ende März überrannten Region Charkiw vertrieben.   

Einen Sieg errungen und am Leben: Der ukrainische Fallschirmjäger Andrii Bashtovyi begrüßt im eroberten Isjum Kameraden. 
Einen Sieg errungen und am Leben: Der ukrainische Fallschirmjäger Andrii Bashtovyi begrüßt im eroberten Isjum Kameraden.  AP/ Evgeniy Maloletka