Faktencheck: Heftiger Zoff um Wagenknecht-Äußerungen bei „Hart aber fair“ – wer ist für Vergewaltigungen in der Ukraine verantwortlich?
Die Emotionen schossen hoch, aber wie hält es Wagenknecht mit den Fakten?

Die Emotionen kochten hoch in der „Hart aber fair“-Sendung vom Montagabend, die Auswahl der Gäste war wohl auch genau darauf angelegt: Die Mitinitiatorin des umstrittenen „Manifestes für Frieden“ und der Demo „Aufstand für den Frieden“, Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht, sah sich im WDR-Fernsehstudio zwei erbitterten Gegnerinnen gegenüber: Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt sowie FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack Zimmermann.
„Hart aber fair“ thematisiert Vergewaltigung als russische Kriegswaffe: Schwarzer und Wagenknecht weichen aus
Die Stelle, an der die Sendung spektakulär entgleiste, war auch vorhersehbar: Die Diskussion kam auf das entsetzliche Thema in der Ukraine vergewaltigter Frauen in den von Russland eroberten Gebieten. Warum der Redaktion wichtig war, diese besonders perfide Art von Kriegsverbrechen zu thematisieren, ist offensichtlich: Friedensdemo-Mitveranstalterin Alice Schwarzer hatte am Wochenende mit einer Interview-Äußerung massive Empörung ausgelöst, als sie eine Reporter-Frage lapidar beiseite gewischt hatte: „Reden wir nicht von den vergewaltigten Frauen, reden wir nicht von den traumatisierten Kindern.“
Wie würde Sahra Wagenknecht diese Frage beantworten? Das war die Versuchsanordnung, die die „Hart aber fair“-Redaktion offenbar gründlich vorbereitet hatte:
Empörung bei „Hart aber fair“ vorprogrammiert, doch Moderator Klamroth konfrontiert Wagenknecht mit Fakten
Etwas weniger ungeschickt, aber dennoch offensichtlich wich Sahra Wagenknecht der Frage aus, doch Moderator Louis Klamroth intervenierte konsequent, unterbrach Wagenknecht, konfrontierte sie mit eingespielten Aussagen von Opfern und Pramilla Patten, UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt in kriegerischen Konflikten. Diese hatte wörtlich von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von den russischen Streitkräften begangen wurden“, gesprochen.
Ukrainische Opfer sexualisierter Gewalt seien zwischen vier und 82 Jahre alt, überwiegend Frauen und Mädchen, aber auch Männer und Jungen seien sexuell misshandelt worden. Es lägen Aussagen vor, die auf Vergewaltigungen als Methode russischer Kriegsführung schließen lassen, so Patten: „Wenn wir Genitalverstümmelungen sehen, wenn man die Aussagen von Frauen hört, die von mit Viagra ausgerüsteten russischen Soldaten berichten, dann ist das eindeutig eine militärische Strategie“, so die UN-Sonderbeauftragte im Oktober 2022.
Wagenknecht setzt bei „Hart aber fair“ auf Whataboutism, Diskussionstechnik der sowjetischen Propaganda
Zuvor hatte die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) bereits im Juni 2022 von „sexueller Gewalt als Kriegswaffe“ gesprochen, die ausschließlich von Russland eingesetzt werde. Untersuchungen von zahlreichen Vergewaltigungen laufen seit der Befreiung zeitweise von Russland besetzter ukrainischer Gebiete wie Butscha auf nationaler wie internationaler Ebene.
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Die von Sahra Wagenknecht verwendete Diskussionstechnik, eine Frage nicht zu beantworten, sondern die Diskussion auf ein anderes Themenfeld zu lenken, wird als Whataboutism (im Englischen auch Whataboutery) genannt. Politbeobachter weisen darauf hin, dass Whataboutism systematisch von der Moskauer Propaganda, bereits zu Sowjetzeiten, eingesetzt wurde, um Vorwürfe des Westens zu kontern. Dabei spielt keine Rolle, ob die von Sahra Wagenknecht vorgebrachte Behauptung, die UN habe von Kriegsverbrechen auf beiden Seiten gesprochen, wahr oder falsch ist – denn Ziel des Whataboutism ist die Ablenkung vom eigentlichen Thema und Verwirrung zu stiften. Die Diskussion bei „Hart aber fair“ drehte sich um Vergewaltigungen als Kriegswaffe, und es bedurfte einer ungewöhnlich harten Intervention des Moderators, Wagenknecht an der Ablenkung vom Thema zu hindern.