Gefährliche Entdeckung

Atombehörde: Russland hat Riesen-Akw Saporischschja vermint!

Während einer Inspektion haben internationale Kontrolleure der IAEA Sprengsätze entdeckt. Die Atomenergiebehörde ist entsetzt.

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Ein russischer Soldat am Akw Saporischschja. Die Russen haben Teile des Geländes vermint, wie die IAEA bestätigt.
Ein russischer Soldat am Akw Saporischschja. Die Russen haben Teile des Geländes vermint, wie die IAEA bestätigt.AP

Was der ukrainische Geheimdienst schon lange berichtete, ist nun Gewissheit. Inspekteure der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) haben nach eigenen Angaben auf dem Gelände des von russischen Truppen besetzten ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja mehrere Minen gesichtet.

Zuvor hatte der ukrainische Militärgeheimdienst immer wieder gewarnt, dass die Russen das Gelände vermint hätten. Beweise dafür gab es bisher jedoch nicht.

IAEA-Chef Rafael Grossi bei einer früheren Inspektion des Riesen-Akws.
IAEA-Chef Rafael Grossi bei einer früheren Inspektion des Riesen-Akws.Pressedienst des russischen Verteidigungsministeriums/AP/dpa

IAEA-Chef: Russen haben Gebiet um Akw vermint

Nun zeigt sich jedoch, dass sich die Befürchtungen bewahrheiten. Wie IAEA-Chef Rafael Grossi am Montag erklärte, entdeckten Mitarbeiter seiner Behörde bei Inspektionen am Sonntag „einige Minen in einer Pufferzone zwischen der inneren und äußeren Umzäunung der Anlage“. Die Sprengsätze befinden sich demnach in „Sperrgebieten“, zu denen das Betriebspersonal der Anlage keinen Zugang hat.

Angaben zur Anzahl der Minen auf dem Kraftwerksgelände machte Grossi nicht. Ihm zufolge geht die IAEA in einer ersten Einschätzung aber davon aus, dass eine Detonation „die Sicherheits- und Sicherungssysteme der Atomanlage nicht beeinträchtigen dürfte“.

Das Akw Saporischschja ist das größte Atomkraftwerk Europas. Die russische Armee brachte es bereits am 4. März 2022, also kurz nach dem Beginn ihres Angriffs auf die Ukraine, unter ihre Kontrolle. Die Ukraine und Russland haben sich immer wieder gegenseitig beschuldigt, die Sicherheit des Atomkraftwerks zu gefährden.

Laut dem ukrainischen Militär hat Russland auch die Dächer der Reaktorblöcke vermint. Satellitenaufnahmen zeigten dort seltsame Objekte, die Sprengsätzen ähneln. Die Russen lassen die Inspektoren der IAEA jedoch nicht auf die Dächer.
Laut dem ukrainischen Militär hat Russland auch die Dächer der Reaktorblöcke vermint. Satellitenaufnahmen zeigten dort seltsame Objekte, die Sprengsätzen ähneln. Die Russen lassen die Inspektoren der IAEA jedoch nicht auf die Dächer.Maxar Technologies/AP

Ukrainisches Militär warnt vor russischer Provokation

Das ukrainische Militär hatte den russischen Besatzern unter anderem vorgeworfen, „sprengstoffähnliche Gegenstände“ auf den Dächern zweier Reaktoren angebracht zu haben. Ihre Detonation solle „den Eindruck eines Beschusses von ukrainischer Seite“ erwecken. 

Das Auslegen von Sprengsätzen auf dem Gelände bezeichnete Grossi nun als „unvereinbar mit den IAEA-Sicherheitsstandards und den Leitlinien für nukleare Sicherheit“. Ein solches Vorgehen erhöhe zudem den psychologischen Druck auf das Personal, erklärte Grossi.

In der vergangenen Woche hatte die IAEA erklärt, ihre Experten hätten die Anlage besichtigt, ohne dabei Hinweise auf Minen gefunden zu haben. Allerdings habe die Behörde noch immer keinen Zugang zu den Dächern der Reaktorgebäude und ihrer Turbinenhallen erhalten, hieß es in der aktuellen Erklärung. Die Kontrolleure können also vor Ort gar nicht untersuchen, ob die Russen dort Sprengsätze angebracht haben.

Das Kernkraftwerk Saporischschja ist seit 2022 unter russischer Besatzung. Es ist das größte Akw Europas.
Das Kernkraftwerk Saporischschja ist seit 2022 unter russischer Besatzung. Es ist das größte Akw Europas.Kateryna Klochko/AP

Sorge um größtes Kernkraftwerk Europas

Die Lage am Akw Saporischschja hatte Anfang des Monats international große Besorgnis ausgelöst. Nach wiederholten Warnungen Russlands und der Ukraine vor angeblichen Angriffsplänen der jeweils anderen Seite forderte die IAEA Anfang Juli erweiterten Zugang zu der Anlage, um zu überprüfen, ob sich Minen oder Sprengstoff auf dem Kraftwerksgelände befinden.

Das Kernkraftwerk Saporischschja ist das größte seiner Art in Europa. Es besteht aus sechs sowjetischen WWER-Druckwasserreaktoren, von denen jeder eine Nettoleistung von etwa 950 Megawatt hat. Das Kraftwerk produzierte bis zum Beginn der großflächigen russischen Invasion 2022 rund ein Viertel des in der Ukraine verbrauchten Stroms. Das Kraftwerk ist mit seiner Leistung fast doppelt so groß, wie das Kraftwerk Tschernobyl, in dem 1986 ein Reaktor explodierte und den größten Atomunfall der Geschichte verursachte.

Die Reaktoren des Akw Saporischschja sind derzeit zwar abgeschaltet, doch eine Explosion könnte dennoch eine Atomkatastrophe verursachen. Bereits im Juni hatte es massive Befürchtungen um die Sicherheit des Akw gegeben. Russland hatte den Staudamm Kachowka gesprengt, was zu einem Problem der Kühlwasserversorgung des Akw Saporischschja führen kann.