Die große Angst vor Russland: Polnische Zivilisten üben den Krieg
Die polnische Armee bietet eine Art Schnupperkurs an – beim Schießen, Handgranatenwerfen und Orientierung im Gelände

Der russische Angriff auf die Ukraine hat Polen alarmiert: In unserem Nachbarland ist nicht vergessen, dass nicht nur Deutschland am 1. September 1939 Polen angegriffen hat, sondern kurz danach auch die Sowjetunion von Osten her einmarschierte und sich nach dem Zweiten Weltkrieg riesige polnische Gebiete einverleibte. Deshalb plant die Regierung in Warschau, die Armee deutlich zu vergrößern. Um dafür genügend Menschen zu gewinnen, gibt es jetzt eintägige Trainings für Zivilisten bei der Armee.
Durch die hügelige Landschaft auf dem Großbildschirm fährt ein Panzer. Plötzlich tauchen hinter einer Mauer feindliche Soldaten auf. Sofia Adach packt das schwarze Sturmgewehr fester, zielt und drückt ab. Rote Punkte markieren ihre Treffer auf dem Bildschirm. „Beim Schießen nicht den Atem anhalten, einfach ruhig weiteratmen“, sagt Stabsunteroffizierin Magdalena Porowska. Mit ausgestreckten Arm zeigt sie der Schützin, in welchem Winkel sie das Sturmgewehr halten soll.
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Für manche ist das mit dem Schießen nicht so einfach. „Ich musste erstmal meine Barriere brechen, eine Waffe anzufassen“, sagt Malgorzata Wos (39). Das Training sei nützlich, um in einer Notsituation nicht in Panik auszubrechen, glaubt sie.
Einen Tag lang mit der Armee üben
Die Schießübung im Simulator ist Teil einer kostenlosen eintägigen militärischen Schulung, die Polens Militär den Bürgern neuerdings anbietet. Soldaten zeigen den Umgang mit Waffen, richtiges Verhalten in Gefahrensituationen und Grundlagen der Orientierung im Gelände. „Ich denke, man braucht solche Fähigkeiten, das gibt ein größeres Sicherheitsgefühl“, sagt Sofia Adach.
Die Fitnesstrainerin (40) gehört zu den hundert Frauen und Männern, die in das Ausbildungszentrum für Luftfahrttechniker der polnischen Streitkräfte in Deblin gekommen sind. Rund 140 Kilometer südlich von Warschau absolvieren sie den Kurs „Trainiere mit der Armee“, der an 17 Standorten angeboten wird.

Draußen auf dem Übungsgelände erklärt Feldwebel Mariusz Starosz den Umgang mit der Handgranate. „Nach dem Werfen sofort in Deckung gehen, nicht gucken, wo sie landet!“, schärft er den Teilnehmern ein.
Im EU- und Nato-Staat Polen wächst die Angst vor einer Ausweitung des russischen Angriffskriegs gegen das Nachbarland Ukraine. Es rüstet massiv gegen eine Bedrohung durch Moskau auf, hat zuletzt mit den USA und Südkorea neue Panzer, Haubitzen und Kampfflugzeuge für Milliardenbeträge abgeschlossen.
Polens Armee soll von 110.000 auf 250.000 Mann wachsen
Die Truppenstärke der Streitkräfte soll verdoppelt werden. In dem Land mit rund 38 Millionen Einwohnern gibt es aktuell 110.000 Soldaten, 30.000 Mitglieder des freiwilligen Heimatschutzes WOT. Es sollen in den kommenden Jahren 250.000 Berufssoldaten und 50.000 Heimatschützer werden.
„Ich fürchte, der Ukraine-Krieg ist der Anfang von etwas Größerem. Und bei einem bewaffneten Konflikt will ich nicht weglaufen“, sagt Adam Krakowiak (28). Der Gabelstaplerfahrer überlegt, ob er Berufssoldat werden oder dem freiwilligen Heimatschutz beitreten soll.

Wehrpflicht ist in Polen abgeschafft, die Armee braucht Freiwillige
„Das polnische Militär muss zahlenstärker werden, um einen Aggressor wirklich abzuschrecken“, sagte Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak kürzlich. Polen hat dazu einen freiwilligen Grundwehrdienst eingeführt – die Wehrpflicht ist lange abgeschafft. Das eintägige Training soll bei den Bürgern für die Streitkräfte werben. Aber nicht nur: „Wir wollen Voraussetzungen dafür schaffen, dass möglichst viele Menschen im Umgang mit Waffen, in Erster Hilfe und in Überlebensfertigkeiten geschult werden, also zum Beispiel in der Fähigkeit, ein Feuer zu machen oder Wasser aufzubereiten.“