Dieser Schutzbau bedeckt den vor 36 Jahren explodierten Reaktor im Kernkraftwerk Tschernobyl.
Dieser Schutzbau bedeckt den vor 36 Jahren explodierten Reaktor im Kernkraftwerk Tschernobyl. dpa/Efrem Lukatsky

Es ist der Ort der folgenschwersten Katastrophe in der zivilen Nutzung der Atomkraft weltweit: Tschernobyl. Über die Grenzen der damaligen Sowjetunion hinaus wurden ganze Landstriche mit radioaktiv verseuchten Stoffen belastet. Dutzende Helfer starben an einer Überdosis Radioaktivität, viele weitere erkrankten an Krebs. In einem der vier Reaktorblöcke hatten sich 1986 zwei Explosionen ereignet, radioaktives Material entwich in die Atmosphäre.

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Das Kraftwerk ist zwar nicht mehr im Betrieb, muss jedoch gewartet werden, denn die darin enthaltenen Brennstoffe müssen dauerhaft gekühlt werden. Nun droht eine neue Katastrophe in dem AKW, zwei Wochen nachdem dieses von russischen Truppen eingenommen wurde. Denn es ist seitdem von der Stromversorgung abgeschnitten.

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Reparaturarbeiten im laufenden Krieg unmöglich, Strahlungslecks stehen unmittelbar bevor

Durch Beschuss seien Stromleitungen beschädigt worden, teilte der ukrainische Netzbetreiber Ukrenerho am Mittwoch mit. Kampfhandlungen nördlich von Kiew verhinderten aktuell alle Reparaturarbeiten. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hatte zuvor schon beklagt, dass das durch die Katastrophe von 1986 bekannte ehemalige AKW zunehmend von der Außenwelt abgeschnitten sei.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schrieb am Mittwoch auf Twitter, dass Dieselgeneratoren den Stromausfall 48 Stunden lang ausgleichen könnten. „Danach werden die Kühlsysteme des Lagers für abgebrannten Kernbrennstoff abgeschaltet, wodurch Strahlungslecks unmittelbar bevorstehen“, schrieb er weiter. „(Kremlchef Wladimir) Putins Krieg bringt ganz Europa in Gefahr.“

Unter russischer Kontrolle kein Schichtwechsel: Techniker seit zwei Wochen ununterbrochen im Dienst

Der IAEA zufolge sind 210 Techniker und lokale Sicherheitsmitarbeiter seit fast zwei Wochen ununterbrochen im Dienst, weil es unter russischer Kontrolle keinen Schichtwechsel mehr gegeben habe. Sie hätten zwar Wasser und Nahrung, aber ihre Lage verschlechtere sich immer mehr. Außerdem habe die IAEA keine Verbindung mehr zu ihren Überwachungsgeräten, die sicherstellen, dass alles Nuklearmaterial an seinem Platz ist.

In Tschernobyl kam es 1986 zu einem verheerenden Atomunfall. Noch heute werden dort radioaktive Abfälle gelagert. Bislang sind auch ein weiteres AKW und einige andere Einrichtungen mit Beständen von Nuklear-Material von der russischen Invasion betroffen. Es ist jedoch zu keinem Austritt von radioaktivem Material gekommen.

Atomenergie-Agentur IAEA sieht „keine kritischen Auswirkungen auf die Sicherheit“

Seitens der Internationalen Atomenergie-Agentur IAEA in Wien hieß es dagegen ebenfalls in einem Tweet, man sehe „keine kritischen Auswirkungen auf die Sicherheit“.

Am Dienstag hatte die IAEA allerdings beklagt, dass die 210 Beschäftigten in Tschernobyl seit Beginn des Krieges nicht mehr abgelöst werden konnten und man keinen Zugang mehr zu den Überwachungsgeräten habe: Die IAEA kann nicht mehr feststellen, ob das radioaktive Material noch an seinem Platz ist.