Verfügung gegen soziale Netzwerke : Trump sagt Twitter und Co. den Kampf an
US-Präsident will per Verfügung die Freiheit der Online-Plattformen einschränken, gegen einzelne Nutzer und Inhalte vorzugehen.

Donald Trump sagt Twitter und Co. mitten im Wahlkampf ums Weiße Haus den Kampf an. Der US-Präsident will per Verfügung die Freiheit der Online-Plattformen einschränken, gegen einzelne Nutzer und Inhalte vorzugehen. Auslöser war der Faktencheck eines Tweets, in dem Trump behauptete, Briefwahl erhöhe das Risiko von Fälschungen. Twitter versah kurz darauf einen weiteren Tweet von Trump mit einem Warnhinweis, weil der Beitrag gegen das Verbot von Gewaltverherrlichung bei dem Dienst verstoße.
Trump-Tweet verstößt gegen Verbot von Gewaltverherrlichung
Trump hatte in dem Tweet zu den Ausschreitungen in Minneapolis nach dem Tod eines Afroamerikaners durch Polizeigewalt unter anderem von «Schlägertypen» gesprochen, die das Andenken des Opfers entehrten. Man werde aber die Kontrolle zurückgewinnen. «Wenn Plünderungen beginnen, wird geschossen» - «when the looting starts, the shooting starts», drohte der Präsident. Wie US-Medien umgehend anmerkten, zitierte Trump damit einen Satz aus dem Jahr 1967, mit dem der damalige Polizeichef von Miami ein hartes Vorgehen gegen die schwarze Bevölkerung angekündigt hatte.

Twitter betonte am Freitag zugleich, Trumps Tweet werde trotzdem auf der Plattform bleiben, weil dies im öffentlichen Interesse sei.
US-Präsident beklagt Zensur der Online-Netzwerke
Trump bezichtigt Online-Netzwerke, unliebsame Ansichten zu zensieren und so Meinungsfreiheit und Demokratie zu gefährden. Deshalb will er sie mit einer neuen Verordnung stärker reglementieren. Gemäß dieser "Section 230"-Regelung von 1996, die Trump nun neu ordnen will, werden Online-Dienste nicht für von Nutzern veröffentlichte Inhalte haftbar gemacht. Zugleich gibt sie den Plattformen weitreichende Freiheit, gegen bestimmte Inhalte oder Nutzer vorzugehen.
Große Online-Plattformen hätten «unkontrollierte Macht», Interaktion zu zensieren und einzuschränken. Sie seien keineswegs neutrale Plattformen, auf der jeder seine Meinung äußern könne, sondern sie versuchten, Ansichten, die ihrem politischen Standpunkt nicht entsprächen, zu unterdrücken. «Wir können das nicht zulassen», mahnte er. «Diese Zensur und Voreingenommenheit ist eine Bedrohung für die Freiheit.»
Faktencheck eines Trump-Tweets war Auslöser des Streits
Auslöser für Trumps Vorstoß ist eine Auseinandersetzung mit Twitter. Der Kurznachrichtendienst hatte am Dienstag erstmals einen Tweet des Präsidenten einem Faktencheck unterzogen. Darin hatte Trump behauptet, dass Briefwahl Wahlbetrug Vorschub leiste. Twitter erklärte dem Faktencheck zufolge, diese Tweets des Präsidenten enthielten "potenziell irreführende Informationen über Wahlprozesse". Daher seien sie gekennzeichnet und um zusätzlichen Kontext zu Briefwahlen ergänzt worden.
Trump warf Twitter daraufhin vor, sich in die US-Präsidentenwahl im November einzumischen. Bei der Unterzeichnung der Verfügung bezeichnete er den Faktencheck von Twitter als «unangemessen» und «politischen Aktivismus».

Falls Trumps Dekret nun umgesetzt wird, wären Klagen gegen soziale Medien wegen den veröffentlichten Inhalten möglich. Twitter demonstrierte mit dem Warnhinweis am Freitag, wie eine konsequente Umsetzung seiner Regeln auch den Präsidenten selbst treffen könnte. Facebook warnte, Einschränkungen der «Section 230» würden dazu führen, dass die Dienste aus Vorsicht gegen mehr Beiträge statt weniger vorgehen würden. Google kritisierte, die Klausel auf diese Weise zu untergraben, «wird Amerikas Wirtschaft und seiner globalen Führungsrolle bei der Freiheit im Internet schaden».
Demokratischer Senator: Trumps Vorhaben schlicht illegal
Der demokratische Senator Ron Wyden sagte, Trumps Vorhaben sei schlicht illegal. Dem Präsidenten gehe es nur darum, ungefiltert Lügen herausposaunen zu können.US-Justizminister William Barr betonte, die Klausel solle nicht abgeschafft, aber reguliert werden. Sie sei weit über ihren ursprünglichen Zweck hinaus strapaziert worden. Man schaue sich verschiedene gesetzgeberische Optionen dazu an. In der Verfügung werden außerdem Ministerien und Bundesbehörden aufgerufen, Ausgaben für Werbung und Marketing auf Online-Plattformen zu überprüfen.
Rechtsprofessor Jack Balkin von der Yale-Universität sagte, rechtlich könne der Präsident nicht viel ausrichten, aber darum gehe es auch nicht. „Er droht und umschmeichelt mit dem Ziel, dass diese Leute in ihren Vorstandszimmern zweimal darüber nachdenken, was sie tun, sodass sie ihn nicht antasten werden.“