Trotz Arbeitslosigkeit: 1,8 Millionen Fachleute fehlen
Bau, Gesundheitswirtschaft, Maschinenbau - hier gibt es die größten Lücken

Die deutsche Wirtschaft ist auf Fachkräfte angewiesen. Doch Unternehmen haben zunehmend Probleme, ausgeschriebene Stellen zu besetzen, obwohl 2,377 Millionen Menschen im Oktober arbeitslos waren (5,2 Prozent). Eine neue Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zeigt jetzt: Mehr als die Hälfte der Betriebe (51 Prozent) kämpft mit Personalengpässen, findet also zumindest zeitweise keine passenden Bewerber – und seit Corona hat sich die Lage nochmals verschärft. Vor allem die Unternehmen der Bauwirtschaft (66 Prozent) berichten von Personalproblemen.
Für den DIHK-Fachkräftereport wurden die Antworten von rund 23.000 Unternehmen ausgewertet. Im Vergleich zu früheren Umfragen hat das Thema Fachkräftemangel an Brisanz gewonnen: Vor der Corona-Krise, im Herbst 2019, hatten 47 Prozent der Betriebe Schwierigkeiten beim Gewinnen neuer Mitarbeiter beklagt. Im Herbst letzten Jahres lag der Wert bei lediglich 32 Prozent, was allerdings mit den ökonomischen Turbulenzen der Pandemie zu tun gehabt haben dürfte, da weniger Stellen zu besetzen waren.
Laut DIHK sind in Deutschland 1,7 bis 1,8 Millionen Stellen vakant. „Das bremst die Wertschöpfung grob geschätzt um rund 90 Milliarden Euro – also circa 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes“, sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks am Montag in Berlin. Dercks warnte vor einer „Wachstumsbremse“, die durch Engpässe beim Personal zunehmend entstehe. Die neuesten Zahlen zeigen: „Der Fachkräftemangel in den Betrieben ist zurück: schneller und in größerem Umfang, als von vielen erwartet“, so Dercks.
Industrie hat die größten Personalnöte
Neben dem Bau melden Unternehmen im Bereich Gesundheitswirtschaft und Maschinenbau die größten Lücken. Den stärksten Anstieg beim Personalengpass – von 29 auf 53 Prozent – gibt es in der Industrie. Die große Mehrheit (85 Prozent) der befragten Unternehmen rechnet mit negativen Auswirkungen durch den wachsenden Fachkräftemangel.
61 Prozent der Betriebe sorgen sich um eine Mehrbelastung ihrer Belegschaften, 58 Prozent erwarten als Folge von Engpässen steigende Arbeitskosten – eine Entwicklung, die laut DIHK „die anziehende Inflation noch weiter befeuern könnte“. Außerdem gehen 43 Prozent der Unternehmen davon aus, dass sie Aufträge ablehnen oder ihr Angebot reduzieren müssen, weil nötiges Personal fehlt. Auch hier ist eine Zuspitzung erkennbar: 2019 waren es lediglich 39 Prozent.
In den nächsten Jahren dürfte sich das Problem nach DIHK-Ansicht verschärfen. Millionen Babyboomer gehen dann in Rente, gleichzeitig kommen weniger junge Menschen auf den Arbeitsmarkt. Die Firmen könnten dann bei der Stellenbesetzung noch mehr unter Druck geraten – mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten. Konkret bedeutet das zum Beispiel: Bauprojekte scheitern, weil für Planung und Ausführung zu wenige Fachkräfte vorhanden sind. Auch industrielle Produktionsprozesse könnten ins Stocken geraten, wenn etwa LKW-Fahrer fehlten.
Fachleute leichter nach Deutschland holen, fordert die Wirtschaft
Der DIHK schlägt vor, Fachkräfte leichter nach Deutschland einwandern zu lassen. Außerdem sei es notwendig, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und die betriebliche Aus- und Weiterbildung zu stärken.