Todesschütze im Fall Walter Lübcke vor Gericht
Dem Angeklagten Stephan Ernst wird vorgeworfen, den Regierungspräsidenten ausspioniert und ermordet zu haben.

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und mit juristischen Scharmützeln hat der Prozess um den Mord am hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke begonnen. Angeklagt als Haupttäter ist Stephan Ernst (46). Er soll den CDU-Politiker im Juni 2019 auf dessen Terrasse erschossen haben. Die Bundesanwaltschaft sieht bei Ernst eine „völkisch-nationalistische Grundhaltung “ als Motiv. Lübcke hatte sich für Flüchtlinge eingesetzt.
Der mutmaßliche Mörder soll sein Verbrechen mehrere Jahre lang akribisch vorbereitet haben. Er wollte mit seiner Tat ein „Fanal gegen die öffentliche Ordnung“ setzen, ist sich die Bundesanwaltschaft sicher. Laut Anklageschrift sammelte Stephan Ernst detaillierte Informationen über Lübcke und spionierte die Lebensumstände seines Opfers aus. So sei er mehrfach zu dessen Haus gefahren.
Nach seiner Festnahme hatte Ernst zunächst ein Geständnis abgelegt, das er aber widerrief. Im Januar dieses Jahres sagte er erneut aus und änderte seine Angaben. Mitangeklagt wegen Beihilfe zum Mord ist Markus H. (44). Er soll den Kauf der späteren Tatwaffe eingefädelt haben.
Lange Warteschlangen vor dem Gericht
Zum Prozessauftakt herrschten am Dienstag verschärfte Sicherheitsvorkehrungen. Zudem begrenzte das Gericht die Zahl der Zuschauer wegen der Corona-Pandemie stark. Schon Stunden vor Beginn der Verhandlung bildeten sich lange Warteschlangen.
Der Prozessauftakt war geprägt von zahlreichen Anträgen. Die Verteidiger von Ernst forderten schon kurz nach Beginn, die Verhandlung auszusetzen. Zudem stellten sie einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter. Anwalt Frank Hannig begründete den Antrag auf Aussetzung etwa damit, dass der Gesundheitsschutz wegen der Corona-Pandemie nicht gewährleistet sei.
Auch die Anwälte des Mitangeklagten Markus H. stellten Anträge. Die als zweite Pflichtverteidigerin von H. zugelassene Anwältin Nicole Schneiders forderte, das Verfahren für mehrere Wochen zu unterbrechen. Der andere Anwalt von H., Björn Clemens, verlangte, die Anklage nicht zu verlesen und das Verfahren gegen seinen Mandanten einzustellen. H. werde öffentlich „hingerichtet“, bevor der Prozess überhaupt begonnen habe.
Der Vertreter des Generalbundesanwalts sagte, die Anträge seien allesamt zurückzuweisen. Wann das Gericht über die Anträge entscheidet, blieb zunächst unklar.
Familie des Opfers nimmt am Prozess teil
Die Ehefrau und zwei Söhne des Ermordeten sind Nebenkläger im Prozess. Ein Sprecher der Familie sagte vor der Verhandlung, dass die Witwe und die Söhne beschlossen hätten, zum Prozessauftakt zu kommen. „Die Familie hat das natürlich abgewogen, weil sie ja weiß, dass das für sie mit schwersten emotionalen Belastungen verbunden ist.“
Lübcke hatte als Regierungspräsident eine Mittelbehörde zwischen dem Land und den Kommunen geleitet. Ausgangspunkt für den späteren Mord soll eine Bürgerversammlung in Lohfelden 2015 gewesen sein. Lübcke verteidigte dort die Aufnahme von Flüchtlingen. Auf Schmährufe aus dem Publikum rief er: „Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist, das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“ Dieser Satz machte Lübcke zur Hassfigur von Rechten. (mit dpa, AFP)