Ist Ramelows Öffnungs-Wagnis zu radikal?
Andere Bundesländer sind skeptisch, Widerstand auch innerhalb Thüringens.

Thüringens Landeschef Bodo Ramelow will ab 6. Juni landesweit gültige Corona-Vorschriften durch regionale Maßnahmen ersetzen und rechtfertigte jetzt den Vorstoß mit den bisherigen Erfolgen von Maskenpflicht, Abstandsregelung und Kontaktbeschränkungen. Mit seiner Ankündigung stößt der Linke-Ministerpräsident aber innerhalb und außerhalb Thüringens auf Skepsis.
So deutet sich schon in der eigenen Koalition Gegenwehr an. „Das hat überall große Irritationen ausgelöst“, sagte SPD-Fraktionschef Matthias Hey der „Bild am Sonntag“. Kritische Stimmen meldeten sich auch aus Thüringens zweitgrößter Stadt Jena. „Mir scheint das ein Gang aufs Minenfeld“, schrieb Jenas Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) auf Facebook. „Wo’s kracht, da gibt’s halt lokal einen zweiten Lockdown. Soll das wirklich unsere Strategie sein in Thüringen?“ Im Kampf gegen das Coronavirus war Jena bundesweit Vorreiter in Sachen Maskenpflicht.
Verzicht auf Corona-Regeln wegen deren großer Erfolge
Als Grund für seinen Vorstoß nannte Ramelow die aktuelle Infektionslage. „Wir haben im März auf der Grundlage von Schätzungen von 60.000 Infizierten entschieden – jetzt haben wir aktuell 245 Infizierte“, so der Linke-Politiker in „Bild am Sonntag“. „Der Erfolg gibt uns mit den harten Maßnahmen recht – zwingt uns nun aber auch zu realistischen Konsequenzen und zum Handeln.

Lauterbach: Vorstoß ist ein klarer Fehler
Das sieht man in anderen Bundesländern jedoch kritisch. „Ich bin dankbar für jede Lockerung, die wir verantworten können. Aber wir müssen umsichtig und vorsichtig sein“, sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) dem Blatt. Die Gefahr sei noch nicht gebannt. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hält „eine komplette schnelle Lockerung für verfrüht“. Die Brandenburger Landtags-Abgeordnete Saskia Ludwig (CDU) dagegen sieht Ramelow „genau auf dem richtigen Weg“.
Als klaren Fehler geißelt Karl Lauterbach (SPD) den Vorstoß Thüringens. Man wisse zu wenig über das Virus und stelle genau die Maßnahmen in Frage, „denen man den gesamten Erfolg im Moment zu verdanken hat“, warnte er in der „Saarbrücker Zeitung“.