Teuflisch für die Ampel: Mehr ausgeben, aber keine Steuern erhöhen?
FDP hatte in der Sondierung durchgesetzt, dass es keine Steuererhöhungen geben soll, trotz steigender Ausgaben

Den Belesenen in SPD, Grünen und FDP dürfte der alte Goethe einfallen, wenn sie am Donnerstag in 22 Arbeitsgruppen ihre Koalitionsverhandlungen für ein Ampelbündnis beginnen. Ließ der Dichter doch den Mephistopheles in Faust II sagen: „Wo fehlt's nicht irgendwo auf dieser Welt? Dem dies, dem das, hier aber fehlt's am Geld.“ Denn genau das wird das teuflische Problem werden.
Die FDP hatte in den Sondierungsgesprächen durchgesetzt, dass es keine Steuererhöhungen geben soll und die wegen Corona ausgesetzte Schuldenbremse 2023 wieder greifen soll. Gleichzeitig aber soll massiv in den Klimaschutz, die Digitalisierung, die Bildung, die Forschung und die Infrastruktur investiert werden. Das ist die Quadratur des Kreises, findet nicht nur Marcel Fratzscher, der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW in Berlin, angesichts von geschätzten Mehrausgaben von über 50 Milliarden Euro pro Jahr.
Schlupflöcher für Kredite gesucht
Der SPD-Ko-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans sucht deshalb schon Schlupflöcher, denn es sei klar, dass im Sondierungs-Papier vom vergangenen Freitag die Finanzierung der ganzen schönen Pläne nicht geregelt sei. In einem Interview sagte er, dass die Schuldenbremse für eine Kreditaufnahme „durchaus Spielräume“ eröffne.
Fratzscher jedenfalls schlug gegenüber der ARD vor, 2022 ordentlich Kredite aufzunehmen, das Geld zur Rücklage zu erklären und von 2023 an, wenn die Schuldenbremse wieder gilt, auszugeben. Das dürfte die Rechnungshöfe von Bund und Ländern auf den Plan rufen. Kürzlich hatten deren Präsidenten in einer Berliner Erklärung mitgeteilt: „Die Regelungen der Schuldenbremse sehen vor, dass in der Pandemie aufgenommene Notlagenkredite nur zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie eingesetzt werden, d. h. es muss ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zur Krisenbewältigung vorliegen.“
Da bleibt wieder nur Goethe, dessen bedauernswertes Gretchen in Faust I seufzt: „Ach, wir Armen.“