In Berlin könnten Warnstreiks Kliniken, BSR und Wasserbetriebe treffen
Update! Tarif-Schlacht im öffentlichen Dienst: Gewerkschaften wollen 10,5 Prozent mehr!
In Potsdam begannen die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Kommunen und des Bundes. Die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent mehr Gehalt. "Begleitmusik" angekündigt.

Beim Start der Tarifverhandlungen für die Beschäftigten von Bund und Kommunen in Potsdam haben sich die Gewerkschaften zu möglichen Warnstreiks bereit gezeigt. „Auf dieser Tarifrunde liegt eine hohe Erwartungshaltung der Beschäftigten“, sagte ver.di-Chef Frank Werneke am Dienstag. „Wir gehen selbstbewusst in diese Tarifverhandlungen.“
Bis voraussichtlich Ende März wollen beide Seiten über die Einkommen von rund 2,5 Millionen Beschäftigten verhandeln, um einen neuen TVöD (Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst) abzuschließen.
Betroffen sind unter anderem Müllabfuhr, öffentlicher Nahverkehr, Kitas und Feuerwehren. Verdi und der Beamtenbund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.
Noch am Dienstag haben Gewerkschaften und Arbeitgeber die Tarifverhandlungen ergebnislos vertagt. Die Bürgerinnen und Bürger müssen in den kommenden Wochen mit einzelnen Protestaktionen von Beschäftigten rechnen, wie Verdi-Chef Frank Werneke nach den dreistündigen Beratungen in Potsdam mitteilte. Man werde nun „Begleitmusik“ starten, sagte Ulrich Silberbach, Chef des Beamtenbundes dbb.
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Verhandelt wird über die Einkommen unter anderem von Müllwerkern, Erzieherinnen, Krankenschwestern, Juristen, Busfahrern. Tausende Berufe sind betroffen, darunter auch Feuerwehrleute, sofern sie keine Beamten sind, Altenpflegerinnen, Klärwerksmitarbeiter, Förster und Ärzte. Entsprechend groß könnten Auswirkungen von Warnstreiks für die Bürger sein.
In Berlin könnten die Stadtreinigung oder das Vivantes-Personal streiken
In Berlin sind neben Bundesbehörden nur die Betriebe wie Charité, Vivantes, BSR und Wasserbetriebe betroffen, aber nicht die BVG. Für die Beschäftigten von Senat und Bezirken in Berlin wird laut ver.di-Sprecher Andreas Splanemann nicht verhandelt, weil für sie andere Vereinbarungen gelten – TV-L (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder) beziehungsweise TV-N (Tarifvertrag Nahverkehr Berlin).
In Brandenburg geht es um die Kommunen mit ihren Rathäusern oder kommunalen Kitas und natürlich auch die Bundeseinrichtungen, erklärte Splanemann dem Berliner KURIER.
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Bereits zum Jahreswechsel hatte Werneke von einem ungewöhnlich großen Engagement der Beschäftigten in dieser Tarifrunde berichtet. „In den fast 22 Jahren, in denen ich nun dem ver.di-Bundesvorstand angehöre, habe ich noch keine so große Entschlossenheit der Beschäftigten wie heute erlebt, sich aktiv in die Tarifbewegung einzubringen.“ Direkt nach Verhandlungsstart sei die Arbeitnehmerseite „aktionsfähig“. Warnstreiks würden den gesamten öffentlichen Dienst betreffen.
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Bei der bisher letzten Tarifrunde für Bund und Kommunen waren 2020 unter anderem Kliniken, Kitas, Nahverkehr oder Sparkassen von Ausständen und Protestaktionen betroffen. Damals fielen die Warnstreiks im Vergleich zu früher moderat aus, was vor allem auf Vorsichtsmaßnahmen wegen der Corona-Pandemie zurückging.
Gewerkschaft und Beamtenbund verlangen 10,5 Prozent mehr Gehalt
Ver.di und dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) hatte bereits nach der Präsentation der Forderungen im Oktober eine Umsetzung als „schlicht nicht leistbar“ bezeichnet.
„Wir haben Verständnis für die Sorgen der Beschäftigten angesichts der aktuell hohen Inflation, aber auch die kommunalen Arbeitgeber befinden sich in einer enorm schwierigen Lage“, so VKA-Präsidentin Karin Welge, SPD-Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die seitens des Bundes die Verhandlungen führt, ließ mitteilen: „Die Forderungen der Gewerkschaften sind hoch und sie treffen auf eine angespannte Haushaltslage, insbesondere auch in den Kommunen.“
Neben der Inflation zählen die krisenbedingt gestiegenen Anforderungen im öffentlichen Dienst zu den besonderen Umständen dieser Verhandlungen. Es gebe eine „lange Liste der Reformen auf Kosten kommunaler Beschäftigter“, sagte Karin Welge der FAZ. Mehr Aufwand bringen etwa das gestiegene und ausgeweitete Wohngeld und das zum 1. Januar eingeführte Bürgergeld.

Ver.di-Chef: Ohne Tariferhöhung schwerer Reallohn-Verlust
Werneke sieht auch in dem im Vergleich zu 2022 wohl etwas nachlassenden Inflationsdruck in diesem Jahr keinen Grund zur Entspannung. Er rechnet, dass der reale Lohn ohne Tariferhöhung um bis zu 14 Prozent schrumpfen würde. Zum Jahreswechsel war er noch von 16 Prozent ausgegangen.
Mit einem Anstieg um 7,9 Prozent hatte die Bevölkerung in Deutschland im vergangenen Jahr den stärksten Preisschock seit Gründung der Bundesrepublik erlebt. Zum Ende dieses Jahres hofft Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nun auf eine Teuerungsrate unter fünf Prozent.
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Zu den weiteren Forderungen der Gewerkschaften zählt eine Laufzeit von zwölf Monaten. Auszubildende, Studierende sowie Praktikantinnen und Praktikanten sollen monatlich 200 Euro mehr erhalten. dbb-Chef Silberbach forderte ein konkretes Angebot bereits in der ersten von drei geplanten Verhandlungsrunden.
Das Tarifergebnis soll aus Sicht der Gewerkschaften ohne Abstriche auf Beamte, Richter sowie Soldaten übertragen werden.
Öffentliche Arbeitgeber fürchten fast 17 Milliarden Euro Mehrkosten/Jahr
Laut VKA würden die Kosten für das geforderte Lohnplus bei den kommunalen Arbeitgebern mit rund 15,4 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Beim Bund wären laut Innenministerium Mehrkosten von rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr die Folge, bei Übertragung auf die Beamten, Richter und Soldaten von 4,7 Milliarden. Die voraussichtlich entscheidende dritte Verhandlungsrunde ist für 27. bis 29. März angesetzt.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte einen Abschluss „mit Augenmaß“. Die Finanzlage der Kommunen entwickele sich dramatisch, warnte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. „Natürlich wird es einen Gehaltszuwachs geben müssen, da auch die Beschäftigten unter der hohen Inflation leiden“, sagte in einem Interview. „Gleichzeitig sollte jedoch auch ein Schwerpunkt sein, die Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern, etwa mit noch mehr flexiblen Arbeitszeitmodellen, sodass es vielleicht gelingt, auch mehr Teilzeitbeschäftige zu einer Erhöhung ihrer Arbeitszeit zu bewegen.“