Ein Viertel der deutschen Viertklässler versteht nicht richtig, was es liest.
Ein Viertel der deutschen Viertklässler versteht nicht richtig, was es liest. Sebastian Gollnow/dpa

Der Anteil der Viertklässler, die Gelesenes nicht richtig verstehen, ist auf ein Viertel gestiegen. Wie aus der am Dienstag in Berlin vorgestellten internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) hervorgeht, erreichen 25 Prozent der Kinder in dieser Altersstufe nicht das Mindestniveau beim Textverständnis, das für die Anforderungen im weiteren Verlauf der Schulzeit nötig wäre. Bei der letzten Iglu-Erhebung, Ende 2017 veröffentlicht, lag der Anteil dieser Gruppe noch bei 19 Prozent.

Wer nicht richtig lesen kann, bekommt Schwierigkeiten in der Schule

Der Anteil der Kinder mit großen Leseschwierigkeiten ist nach Einschätzung der Studienautoren inzwischen „alarmierend hoch“.  Die betroffene Gruppe werde in ihrer weiteren Schullaufbahn „erhebliche Schwierigkeiten in fast allen Schulfächern haben“, sofern sie den Rückstand nicht aufholen könne.

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Die Autoren stellen der deutschen Bildungspolitik ein schlechtes Zeugnis aus: Die von der Kultusministerkonferenz (KMK) vor mehr als 20 Jahren formulierten Ziele für die Weiterentwicklung der Bildung in Deutschland seien an vielen Stellen verfehlt worden.

Die  Befunde von Iglu reihen sich die Ergebnisse anderer Bildungsstudien ein. Erst 2022 Jahr hatte der IQB-Bildungstrend, eine ebenfalls regelmäßige Test-Reihe unter Viertklässlern, gezeigt, dass diese in den sogenannten Basiskompetenzen in Mathe und Deutsch in den vergangenen Jahren deutlich zurückgefallen sind.

Alarmstimmung im Bundesbildungsministerium

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat die Ergebnisse als „alarmierend“ bezeichnet. Gut lesen zu können sei eine der wichtigsten Grundkompetenzen und das Fundament für Bildungserfolg.  

Stark-Watzinger verwies auf das von der Ampel-Regierung geplante Startchancen-Programm, mit dem 4000 Schulen im Land „mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler“ speziell gefördert werden sollen. Man arbeite derzeit mit den Ländern mit Hochdruck an diesem Thema, sagte Stark-Watzingers Staatssekretärin Sabine Döring in Berlin.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Berlins neue Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU), nannte die Ergebnisse „ernüchternd“.  Corona-Pandemie mit Schulschließungen und eine zunehmend heterogene Schülerschaft hätten die Lehrer vor größere Herausforderungen gestellt. 

400.000 Schüler wurden international getestet

Die Iglu-Tests werden seit 2001 im Fünf-Jahres-Rhythmus durchgeführt. Verantwortlich ist das Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund. Die aktuelle Erhebung stammt von 2021. Mitgemacht hatten rund 4600 Schüler aus 252 vierten Klassen in Deutschland. Sie bekamen jeweils Sach- und Erzähltexte und dazugehörige Verständnisaufgaben, die sie an Laptops lösen mussten. International nahmen  400.000 Schüler aus 65 Staaten und Regionen teil.

Nach Auswertung der Ergebnisse wurden für die Länder Punktwerte vergeben. Den Spitzenplatz belegt Singapur mit 587, ganz hinten steht Südafrika mit 288 Punkten. Die Viertklässler in Deutschland landen mit 524 Punkten im internationalen Lese-Vergleich im Mittelfeld, etwa im EU- und OECD-Schnitt. Länder wie Spanien, Frankreich oder Belgien schneiden schlechter ab, viel besser sind die Kinder dagegen zum Beispiel in England oder Polen.

Reichtum eines Landes garantiert keinen Lernerfolg

Der deutsche Punktwert sank nach anfänglicher Verbesserung Mitte der 2000er Jahre nun zum dritten Mal in Folge auf einen Tiefstand. Länder wie Russland oder Slowenien konnten sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich verbessern. „In Deutschland, den Niederlanden und Schweden zeigt sich hingegen eine problematische Entwicklung“, heißt es in dem Bericht.

Der altbekannte Befund aus anderen Studien wird auch in dieser Untersuchung bestätigt: Kinder aus besser gestellten Elternhäusern haben größere Chancen auf Bildungserfolg. Es habe sich im Hinblick auf die Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit „praktisch nichts verändert“, so das Fazit der Wissenschaftler.