Straßenbau statt Straflager: Russlands neue Gulags
Beim Bau von Straßen und Bahngleisen will Russland künftig auf Zwangsarbeit in großem Stil setzen. Manchen erinnert das an die Ausbeutung in den Arbeitslagern unter Sowjetdiktator Josef Stalin.

In Russlands Straflagern vegetieren Hunderttausende Menschen wie der prominente Oppositionelle Alexej Nawalny. Wie der 45-Jährige sitzen viele – ob schuldig oder unschuldig – meist etliche Jahre. Die Lager gelten als Hölle auf Erden.
Gefangene ersetzen Arbeitskräfte
Und weil deren Unterhalt viel Geld kostet und überall im Land Arbeitskräfte fehlen, sollen Strafgefangene nun für große Bauprojekte eingesetzt werden. Zwangsarbeit heißt das im offiziellen Sprachgebrauch. Der Chef des russischen Strafvollzugs, Alexander Kalaschnikow, sieht die Arbeitslager als Lösung für eine ganze Reihe von Problemen.
Schwere körperliche Arbeit beim Straßenbau
Die Gefangenen sollen etwa Eisenbahntrassen und Straßen bauen, Wälder aufforsten und Gräben ausheben – eben schwere körperliche Arbeiten verrichten, für die sich sonst vor allem Migranten aus den verarmten zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken einspannen lassen.

Menschenrechtler kritisieren immer wieder, die Gastarbeiter würden zu Hungerlöhnen ohne richtige Pausen bis an den Rand der Selbstaufgabe ausgebeutet. Doch seit viele während der Corona-Pandemie in ihre Heimatländer zurückkehren mussten, fehlt nun diese Arbeitskraft an vielen Stellen in Russland.
„Das wird kein Gulag“, beteuert Kalaschnikow mit Blick auf Befürchtungen vieler Menschen, Russland könnte wie zu Zeiten von Sowjetdiktator Josef Stalin wieder ein System der Ausbeutung mit den für ihre lebensbedrohlichen Bedingungen berüchtigten Straf- und Arbeitslagern errichten.

„Das werden absolut neue, würdige Bedingungen“, verspricht der Chef des Strafvollzugs. Seine Behörde berichtet auf ihrem Portal ausführlich über die Arbeit von Gefangenen, darunter auch in Fabriken. Die Menschen sollten ordentlich wohnen, nach Wunsch mit ihren Familien, und würdige Löhne erhalten, sagt Kalaschnikow.
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Rund 200.000 Gefangene von den rund 500.000 in Russland kämen dafür in Frage, schätzen Behörden. Schon jetzt gibt es Zwangsarbeit in Russland, aber die Zahl der Plätze wird nicht ausgeschöpft – auch, weil viele Gefangene das ablehnen.

Verurteilte berichten in der Zeitung Kommersant, sie hätten durch die Einwilligung zur Zwangsarbeit ihr Recht darauf verloren, nach zwei Dritteln der verbüßten Haftzeit bei guter Führung entlassen zu werden. Gerichte hätten das abgelehnt, weil sie Zwangsarbeit schon als Hafterleichterung und strafmildernd ansähen.
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„Das Regime ist aber nicht leichter, sondern der psychologische Druck auf die Verurteilten ist sogar größer als im Straflager“, sagt ein Verurteilter der Zeitung. Während es im Straflager verbriefte Rechte gebe wie Besuche von Angehörigen und Einkäufe im Gefängnisladen, sei das in einem Arbeitslager nicht geklärt.
Ziel ist Senkung der Strafvollzugskosten
Während Menschenrechts-Organisationen protestieren, wird die Zwangsarbeit längst in großem Stil geplant. Justizminister Konstantin Tschujtschenko sieht eine Chance, die Zahl der Häftlinge in den Straflagern und Gefängnissen drastisch zu reduzieren – und somit die Kosten für den Strafvollzug.
Nach einer Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts Wziom sind 71 Prozent der Russen für eine breitere Anwendung der Zwangsarbeit. Straftäter sollten so für ihre Schuld büßen, der Gesellschaft Nutzen bringen, bei Opfern Schadensersatz leisten und zum Familienunterhalt beitragen.