Helfer bergen einen Leichnam an der Küste Kalabriens. Das Mittelmeer ist aufgewühlt.
Helfer bergen einen Leichnam an der Küste Kalabriens. Das Mittelmeer ist aufgewühlt. Giuseppe Pipita/AP

Mindestens 58 Tote, darunter ein Säugling, ein kleines Zwillingspaar, viele Frauen: Unmittelbar vor dem Ufer des süditalienischen Kalabrien ist ein Holzboot mit Migranten an den Klippen zerschellt. Die Küstenwache spricht über 80 gerettete Menschen, von denen es einige allein ans Ufer geschafft hatten. Unklar ist aber, wie viele Personen auf dem Gefährt unterwegs waren. Einige Überlebende sprachen von 180, andere von 250 Menschen, die Küstenwache von 120. 

Papst Franziskus sagte nach dem Angelusgebet auf dem Petersplatz in Rom, er bete für die Opfer, die Vermissten und die Überlebenden.

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Laut der Zeitung „La Repubblica“ kamen die Migranten vor allem aus dem Iran, Pakistan und Afghanistan, deren Fahrt über das Mittelmeer bei Steccato di Cutro in der Provinz Crotone ein katastrophales Ende fand. Wo die Menschen in See gestochen waren, war zunächst nicht bekannt.

Türkischer Schlepper festgenommen

Die italienische Nachrichtenagentur Ansa meldete die Festnahme eines Schleppers, bei dem es sich um einen Türken handeln soll.

Laut Ansa handelte es sich bei dem Unglücksboot um einen Fischkutter, dagegen sprach die italienische Finanzpolizei von einem Holzboot vom Typ Gulet. Darunter versteht man einen meist zweimastigen Motor-Segler.  

Hilfsorganisationen zeigten sich entsetzt. „Es ist menschlich inakzeptabel und unverständlich, warum wir immer wieder solche vermeidbare Tragödien erleben müssen. Es ist ein Faustschlag in den Magen“, schrieb Sergio Di Dato, Projektleiter bei Ärzte ohne Grenzen auf Twitter. Während Helfer legale Wege der Einreise und auch mehr staatliche Seenotrettung fordern, versucht die rechte italienische Regierung, die Zahl der Migranten möglichst zu verringern.

Italiens Ministerpräsidentin fordert Kooperation der Herkunftsländer

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zeigte sich am Sonntag entsetzt über das Unglück. „Es ist kriminell, ein kaum 20 Meter langes Boot mit gut und gern 200 Personen an Bord bei schlechten Wettervorhersagen aufs Meer zu schicken“, schrieb sie. Ihre Regierung bemühe sich zu verhindern, dass solche Boote überhaupt ablegten. Sie fordere dabei ein Maximum an Kooperationsbereitschaft der Ausgangs- und Herkunftsländer.

Ähnlich äußerte sich ihr Innenminister Matteo Piantedosi. „Dies ungeheure Tragödie zeigt, wie es absolut notwendig ist, mit Härte gegen die Netze der irregulären Einwanderung vorzugehen, in denen skrupellose Schlepper operieren“, schrieb er.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich auf Twitter zutiefst betrübt über das Bootsunglück und sprach von einer Tragödie, bei der unschuldige Migranten gestorben seien. Sie forderte alle Beteiligten dazu auf, sich noch mehr um Fortschritte in der EU-Migrationspolitik zu bemühen.

Jedes Jahr versuchen Tausende Migranten auf oft wenig seetauglichen Booten über das Mittelmeer nach Italien und damit nach Europa zu gelangen. Sie brechen vor allem aus Libyen oder Tunesien auf, aber auch aus Griechenland oder der Türkei.

Mehr als 25.000 Menschen starben seit 2014 beim Versuch, das Mittelmeer gen Europa zu überqueren

Nach einem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) starben seit Beginn der Erfassungen im Jahr 2014 mehr als 25.000 Menschen beim Versuch, auf der Mittelmeerroute nach Europa zu kommen.

Bei einer der schwersten Flüchtlingskatastrophen kamen im April 2015 vor der libyschen Küste zwischen 800 und 900 Menschen um. Das vollkommen überfüllte Schiff war gesunken, weil die Menschen an Bord in Panik geraten waren, als ein anderes Schiff zur Rettung nahte. Das Wrack wurde vom Meeresgrund geborgen, ein Schlepper Ende 2016 in Catania (Sizilien) zu 18 Jahren Haft verurteilt.

Zwei Überlebende entfernen sich, in bunte Decken gehüllt, vom Ufer des Mittelmeers.
Zwei Überlebende entfernen sich, in bunte Decken gehüllt, vom Ufer des Mittelmeers. Giuseppe Pipita/AP

Nach Angaben des italienischen Innenministeriums sind in diesem Jahr bis einschließlich Donnerstag schon 13.067 Migranten auf dem Seeweg ins Land gekommen, weit mehr als doppelt so viele wie im gleichen Vorjahreszeitraum (5273).

Ein Dekret der Regierung Meloni, das mit der Verabschiedung durch den Senat vergangene Woche Gesetz wurde, erschwert die Arbeit ziviler Seenotretter erheblich. So müssen sie nun schon nach der ersten Rettungsaktion einen italienischen Hafen ansteuern, anstatt womöglich mehrere Rettungen durchzuführen.

Zudem werden ihnen oft Häfen zugewiesen, die weit vom Einsatzgebiet im zentralen Mittelmeer entfernt liegen, womit sie tagelang unterwegs sind. Allerdings kommt nur ein kleiner Teil der Migranten mit Rettungsschiffen wie der „Ocean Viking“ oder der „Geo Barents“ nach Italien. Der Großteil erreicht das italienische Festland und die Inseln ohne fremde Hilfe.