Ferkel in einem Aufzuchtstall. Bevor sie zum Schlachtbetrieb geliefert werden, kommen sie zum Mäster. 
Ferkel in einem Aufzuchtstall. Bevor sie zum Schlachtbetrieb geliefert werden, kommen sie zum Mäster.  Foto: Imago Images/Countrypixel

Seit 20. Juni steht das Tönnies-Werk in Rheda-Wiedenbrück (NRW) wegen des verheerenden Corona-Ausbruchs still. Und wann der größte Schlachtbetrieb Deutschlands wieder öffnet, ist ungewiss. Auch gestern berieten Vertreter von Behörden und Tönnies über eine Wiederaufnahme der Produktion. Der Fleischproduzent hatte dazu ein Hygienekonzept vorgelegt, das genau unter die Lupe genommen wird. Bis zur Entscheidung können Bauern ihre Tiere nicht mehr verkaufen. Die Folge: Ein „Schweine-Stau“ im Stall, der Züchter teuer zu stehen kommt.

Zwischen 12 und 14 Prozent der deutschen Schweine werden im größten deutschen Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück geschlachtet. Weil der Betrieb nach dem Corona-Ausbruch unter Beschäftigten aber derzeit ruht und auch andere Schlachthöfe nur reduziert arbeiten, gibt es zurzeit deutschlandweit Verarbeitungsengpässe. 70.000 bis 100.000 Schweine pro Woche können nicht geschlachtet werden, schätzt die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN).

Bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück werden normalerweise bis zu 14 Prozent aller deutschen Schweine geschlachtet.
Bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück werden normalerweise bis zu 14 Prozent aller deutschen Schweine geschlachtet. Foto: picture alliance/dpa

Größere Züchter haben einen festen Vertrag mit Tönnies und weichen derzeit häufig auf andere Tönnies-Standorte aus. Denn bisher ist nur der Hauptbetrieb in Rheda-Wiedenbrück geschlossen. Kleinere Betriebe dagegen können ihre Schweine zum Teil nicht weiterverkaufen, wodurch es in den Ställen immer enger wird. Grundsätzlich seien nämlich die Schlachtkapazitäten wegen der Corona-Krise in den vergangenen Wochen zurückgefahren worden. Wegen der Hygiene-Regeln dürften nicht mehr so viele Mitarbeiter in der Zerlegung arbeiten, es seien auch weniger Arbeitskräfte in Deutschland, so ISN-Marktexperte Matthias Quaing.

Schweinemäster müssten massive finanzielle Verluste hinnehmen. Denn Betriebe wie Tönnies zahlen den Höchstpreis nur für Schweine, die ein ganz bestimmtes Gewicht erreicht haben. Denn dann kann das Tier am besten verarbeitet werden. Ist das Schwein leichter oder schwerer als gewünscht, sinkt der Preis. „Durch eine späte Lieferung etwa hat der Landwirt hat einen wirtschaftlichen Schaden von 10 bis 15 Euro pro Tier“, sagt Schweinezüchter Heinrich Gabriel aus Höxter dem WDR.

Die Fleischindustrie steht am Pranger: Aktivistinnen und Aktivisten des Deutschen Tierschutzbüros halten vor dem Tönnies-Schlachthof in Weißenfels einen Tiertransport mit Schweinen an.
Die Fleischindustrie steht am Pranger: Aktivistinnen und Aktivisten des Deutschen Tierschutzbüros halten vor dem Tönnies-Schlachthof in Weißenfels einen Tiertransport mit Schweinen an. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa

Der Ausfall des Tönnies-Schlachthofs in Rheda-Wiedenbrück führt nach Experteneinschätzung noch nicht zu Notschlachtungen. Viele Züchter sind besorgt und wollen, dass das Tönnies-Werk möglichst bald wieder öffnet. „Die Lage wird für die Mäster zwar enger, aber noch können die Landwirte die Tiere ein paar Tage länger in den Ställen halten“, schätzt Matthias Quaing.

Im Durchschnitt über alle Betriebe in Deutschland stünden seiner Einschätzung nach die Schweine derzeit drei Tage länger in den Ställen. Damit sei noch Luft im System. Die Auswirkung auf die einzelnen Betriebe seien natürlich unterschiedlich. Quaing: „Beim einen Landwirt werden die Tiere eine Woche länger im Stall bleiben, beim anderen wurden sie schon abgeholt.“