Am Dienstagabend durften die verbliebenen Geflüchteten die „Geo Barents“ und die „Humanity 1“ verlassen.
Am Dienstagabend durften die verbliebenen Geflüchteten die „Geo Barents“ und die „Humanity 1“ verlassen. Imago/Zuma Wire

Es war ein unwürdiges Schauspiel, das sich in den vergangenen Tagen auf dem Mittelmeer und anschließen im Hafen der sizilianischen Stadt Catania ereignet hat: Erst wurden vier Seenotrettungsschiffe mit fast 1000 Geflüchteten an Bord tagelang ignoriert, dann selektierten die italienischen Behörden, wer an Land gehen durfte. Doch nun gibt es gute Nachrichten: Alle Geretteten der Schiffe „Humanity 1“ und „Geo Barents“ durften an Land. Für die Ocean Viking hat sich ein Hafen in Frankreich gefunden. Doch dauerhaft gelöst ist der Streit nicht.

Italiens Regierung hat Seenotrettung deutlich erschwert

Nachdem die neue italienische Regierung aus den postfaschistischen Fratelli d'Italia, den Rechtspopulisten der Lega und der rechtskonservativen Forza Italia die Macht im Land übernommen hatte, wurden schnell per Dekret die Bestimmungen für die Aufnahme von in Seenot geratenen Geflüchteten geändert. Der italienische Staat gab sich die Möglichkeit zu selektieren, wer von den Schiffen an Land gehen dürfe und erntete dafür heftigen Widerspruch von Menschenrechtsorganisationen. 

Diese warfen Italien illegale Pushbacks, also staatliche Maßnahmen, bei denen flüchtende und migrierende Menschen – meist unmittelbar nach Grenzübertritt – zurückgeschoben werden, ohne die Möglichkeit einen Asylantrag zu stellen oder deren Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen zu lassen. So lautet die Definition des European Center for Constitutional and Human Rights, nach dessen Einschätzung die Praxis gegen das Verbot von Kollektivausweisungen verstößt. 

Dennoch wandten die Behörden in Catania dieses Dekret über mehrere Tage lang an. 35 Gerettete durften die „Humanity 1“ von der Organisation SOS Humanity tagelang nicht verlassen, auf der „Geo Barents“ von Ärzte ohne Grenzen waren es sogar 215 Menschen die an Bord bleiben mussten. Lediglich die „Rise Above“ von Mission Lifeline konnte alle Geretteten an Land bringen. Doch dann gab es die Wende. Nach einer Intervention des Gesundheitsamtes und nachfolgenden ärztlichen Untersuchungen durften die Geretteten der beiden Schiffe an Land gehen. 

Seenotrettung auf dem Mittelmeer: „Ocean Viking“ steuert Frankreich an

Die „Ocean Viking“ von SOS Mediterranée mit 230 Menschen an Bord bekam hingegen von Italien keinen Hafen zugewiesen und steuert derzeit das französische Toulan an.„Wir sind sehr erleichtert, dass unserem Schiff ein sicherer Hafen in Frankreich zugewiesen wurde“, erklärte Sprecherin Sophie Beau. „Doch diese Lösung hat einen bitteren Beigeschmack: Die 234 Frauen, Kinder und Männer an Bord der Ocean Viking haben eine extreme Tortur hinter sich und sind sehr erschöpft, wie auch unsere Teams.“ Der ersten Geretteten hatte das Schiff am 26. Oktober an Bord genommen.

Menschen schlafen an Bord der „Ocean Viking“. Für sie geht es weiter nach Frankreich.
Menschen schlafen an Bord der „Ocean Viking“. Für sie geht es weiter nach Frankreich. Imago/Vincezo Circosta

Ähnlich sieht die Gefühlslage bei den Seenotrettern der anderen Schiffe aus, wo sich Wut und Tatendrang in die Erleichterung mischt. Sowohl die „Geo Barents“ als auch die „Humanity 1“ wollen sich alsbald auf neue Rettungsmissionen im Mittelmeer vorbereiten. Der Organisation SOS Humanity droht derweil eine Geldstrafe, da sich die Crew mehrere Tage weigerte, mit den 35 verbliebenen Migranten an Bord wieder in internationale Gewässer zu fahren. 

Seenotrettung auf dem Mittelmeer: EU kritisiert Italien

Kritik für das Vorgehen der italienischen Behörden gab es derweil nicht nur von Menschenrechtsorganisationen und einzelnen Politikern, sondern auch vonseiten der EU-Kommission. „Die rechtliche Verpflichtung zur Rettung und zur Gewährleistung der Sicherheit des Lebens auf See ist klar und eindeutig - unabhängig von den Umständen, die die Menschen in Not versetzen“, heißt es in einer Mitteilung. 

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Italiens radikal rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nannte die Entscheidung des Gesundheitsamtes, die zunächst abgelehnten Geretteten in Catania an Land zu lassen, „bizarr“. Auch die kommenden Rettungseinsätze werden für die Seenotretter und vor allem die Geretteten wohl zur Zerreißprobe werden.