Beim Elisabeth-Selbert-Haus wachsen ungebremst die Kosten in die Höhe.
Beim Elisabeth-Selbert-Haus wachsen ungebremst die Kosten in die Höhe. Grafik: kleyer.koblitz.letzel.freivogel

In Zeiten allgemeiner Spar-Appelle wirken Fälle von Verschwendung öffentlicher Gelder besonders widersinnig. Mancher der bundesweit einhundert beispielhaft krassen Fälle von Steuerverschwendung, die der Bund der Steuerzahler in seinem diesjährigen und 50. Schwarzbuch präsentiert, mutet wie ein Schildbürgerstreich an. Doch zum Lachen ist da kaum jemandem zumute!

Flussbad an der Spree: Millionen wurden ergebnislos versenkt

So fordert der Steuerzahlerbund den sofortigen Stopp aller Planungen für ein Flussbad Berlin im Spreekanal in Mitte. „Für das sich hier ankündigende Millionengrab muss sofort die Reißleine gezogen werden“, heißt es im am Mittwoch vorgestellten neuen Schwarzbuch zur öffentlichen Verschwendung. Der Verband erinnerte daran, dass für das Stadtumbauprojekt Umfeld Spreekanal mit dem Flussbad Ausgaben in Höhe von 77 Millionen Euro veranschlagt seien. Mit dem Geld könne alternativ rund die Hälfte des Sanierungsrückstaus bei den Berliner Bädern beseitigt werden, was dem Schul- und Vereinsschwimmen zugutekäme, so der Verband.

Bei dem Projekt Flussbad, das ein privater Verein schon seit längerer Zeit verfolgt, sind noch viele Fragen offen. Für Planungen flossen nach Angaben des Senats aus dem Sommer bereits annähernd sechs Millionen Euro aus Bundes- und Landesmitteln an den Verein. Für 2022/23 wurden dem Verein weitere 1,16 Millionen Euro in Aussicht gestellt, zum Teil schon bewilligt.

Das Projekt Flussbad Berlin wird laut dem Bund der Steuerzahler zum Millionengrab.
Das Projekt Flussbad Berlin wird laut dem Bund der Steuerzahler zum Millionengrab. imago/Jürgen Ritter

Zuletzt hatte auch die Stadtentwicklungsverwaltung die Pläne infrage gestellt, vor allem eine Freitreppe als Einstieg in das Wasser. Allein diese würde nach Angaben des Bundes der Steuerzahler 7,2 Millionen Euro kosten (2015 geplant: 1,47 Millionen). Und ohne sie wäre das ganze Vorhaben ein Schlag ins Wasser.

Gehweg in Pankow: 2021 saniert, soll er jetzt wieder umgebaut werden

Vollkommen gaga erscheint dem Steuerzahlerbund, was der Berliner Bezirk Pankow in der Garibaldistraße vorhat: 2021 wurde dort für 50.000 Euro unter der Ägide einer grünen Stadträtin auf 140 Metern ein Gehweg saniert und der unbefestigte Randstreifen gepflastert. Autos können dort jetzt halbseitig auf dem Gehweg parken, Müllfahrzeuge und Feuerwehr kommen durch. 2022 aber beschloss die BVV auf Antrag der Grünen, die alte Gehwegbreite wieder herzustellen. Dabei habe er neben den Parkplätzen die vorgeschriebene Mindestbreite von 1,60 Metern und mehr.  

Der erneuerte Gehweg in der Garibaldistraße: links der Platz für Fußgänger mit Kleinsteinpflaster, in der Mitte das Verbundsteinpflaster für das halbseitige Parken.
Der erneuerte Gehweg in der Garibaldistraße: links der Platz für Fußgänger mit Kleinsteinpflaster, in der Mitte das Verbundsteinpflaster für das halbseitige Parken. Bund der Steuerzahler

Der Bund der Steuerzahler hat sich den Gehweg angesehen und befürchtet, dass mit „ursprüngliche Gehwegbreite wieder herstellen“ ein erneuter teurer Umbau des Gehwegs gemeint sein könnte.  

Kosten für Neubau des Bundestags verdreifachten sich

Steuern verschleudert wurden laut Auflistung auch beim Elisabeth-Selbert-Haus, einem rund 200 Büros umfassenden Neubau des Bundestages am Boulevard Unter den Linden. Anfangs seien im Bundeshaushalt 28,2 Millionen Euro dafür eingestellt gewesen, mittlerweile seien 89,2 Millionen Euro Kosten veranschlagt. Zudem solle das Vorhaben nach neuester Planung erst 2026 fertig sein, statt wie zunächst vorgesehen bis Ende 2024.

Der Bund der Steuerzahler fragte nach eigenen Angaben bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) nach den Gründen. Die Bima teilte demnach mit, dass Mehrkosten vor allem auf „marktbedingte Kostensteigerungen“ und „Risiken wegen des schwierigen Baugrunds“ zurückzuführen seien. Letzteres Problem sei auch Grund für die Terminverschiebung.

Kritik an Free WiFi Berlin

Kritik wird in dem Schwarzbuch auch an dem Projekt Free WiFi Berlin geäußert. Mittlerweile seien dabei Kosten von 3,2 Millionen Euro entstanden. Der Senat versuche krampfhaft, „mit einem lückenhaften Flickenteppich aus WLAN-Routern ein Parallelangebot zu den bereits staatlich regulierten Mobilfunknetzen der privaten Anbieter aufzubauen“, so der Steuerzahlerbund. Diese würden mittlerweile im gesamten Stadtgebiet mit 100-prozentiger Abdeckung LTE-Surfgeschwindigkeit zu überschaubaren Preisen anbieten.

Kritisiert wird zudem das deutsche Bio-Siegel, das zusätzlich zu dem verpflichtenden EU-Bio-Siegel existiere und jährlich rund 237.000 Euro für Personal- und Verwaltungskosten nach sich ziehe.

Millionengräber auch in Leipzig

Doch auch in anderen Städten wird unnötig Steuergeld verbrannt: Der Negativpreis „Schleudersachse“ geht dabei in diesem Jahr an die Stadt Leipzig. Die Messestadt habe 2014 einen Gebäudekomplex für 500.000 Euro veräußert und nun beschlossen, ihn für rund 15 Millionen Euro zurückzukaufen, um Flüchtlinge unterzubringen. Dabei hätten schon 2014 Fachleute vor einem möglichen Schaden in Millionenhöhe gewarnt, weil das Grundstück später noch einmal gebraucht werden könnte. Nun entspreche der Preis für den Ankauf dem 30-fachen des damaligen Verkaufserlöses.

Mit Blick auf ein Feuerwehrhaus der Stadt Dippoldiswalde im Ortsteil Paulsdorf sprach der Steuerzahlerbund von einem Schildbürgerstreich. Das Gebäude war vor zehn Jahren ohne Beachtung der gültigen Baunormen mit Kosten von 329.000 Euro erweitert worden, hieß es. Als man jetzt ein neues Feuerwehrauto benötigte, habe sich herausgestellt, dass keines der derzeit am Markt verfügbaren Fahrzeuge durch das Einfahrtstor des Gerätehauses passt.