„Count Binface“ tritt bei der Londoner Bürgermeisterwahl am 6. Mai an.
„Count Binface“ tritt bei der Londoner Bürgermeisterwahl am 6. Mai an. Foto: Twitter

Das könnte Berlin auch mal brauchen: volle Pulle Klamauk im Wahlkampf. So wie in London, wo „Count Binface“ den Bürgermeister Sadiq Khan von der Labour-Partei bei den Wahlen aus dem Amt jagen wollte – in einer Art silberglänzenden Superheldengewand und mit einer Mülltonne über dem Kopf.

„Graf Mülltonnengesicht“, wie er auf Deutsch hieße, trat mit interessanten Forderungen an: London soll in die EU eintreten. Die königliche Familie soll drei ihrer vier Schlösser in London für Obdachlose aufgeben. Kein Croissant soll mehr als ein Pfund Sterling kosten. U-Bahn-Nutzer sollen einmal im Jahr zwecks Fitness die Rolltreppen in der jeweils falschen Richtung benutzen müssen. Nicht zu vergessen: Ein Händetrockner im Herrenklo des Pubs „Crown & Treaty“ zu London-Uxbridge möchte bitte nutzerfreundlicher aufgehängt werden.

Jon Harvey, das Alter Ego von Count Binface, in einem rattenscharfen Testbild-Outfit.<br><br>
Jon Harvey, das Alter Ego von Count Binface, in einem rattenscharfen Testbild-Outfit.

Foto: Homepage Harvey/Idil Sukan

Hinter Count Binface, dem „intergalaktischen Wahl-Kreuzfahrer“, steckt der Komiker Jon Harvey, der schon Wahlkampferfahrungen hat. 2019 trat er bei der Unterhauswahl im Wahlkreis von Premierminister Boris Johnson an. Sein Wahlergebnis damals dürfte Bürgermeister  Khan beruhigt haben: Der Blechkopf erzielte damals 69 Stimmen. Das war jetzt bei der Bürgermeisterwahl anders: Count Binface holte 24.775 Stimmen. Das war am Ende aber nur ein Prozent.     

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Sadiq Khan wurde mit deutlichem Vorsprung wiedergewählt, schlug nicht nur den Blechkopp, sondern vor allem den Tory-Herausforderer Shaun Bailey.

Khan wird viel zu tun haben. Die britische Hauptstadt (9 Millionen Einwohner) steht vor großen Problemen. Zwar kann man wieder vor Pubs sein Bier trinken und Einkaufen gehen, weil so viele Briten geimpft sind. Doch dieses Bild könnte trügerisch sein. „Wenn wir nicht aufpassen, wird London einem perfekten Sturm aus Brexit und dieser fürchterlichen Covid-Pandemie ausgesetzt sein“, warnt Sadiq Khan (50). 

Corona brachte London um 15 Milliarden Euro Einnahmen

2020 gingen Läden, Hotels und Restaurants Schätzungen der Kommunalverwaltung zufolge rund 15 Milliarden Euro durch die Lappen. So viel hatten Touristen und Pendler 2019 noch ausgegeben. Die Hoffnung ruht nun darauf, dass tatsächlich wie geplant am 21. Juni alle Restriktionen fallen können. Zu den Pandemiefolgen kommt, dass die wichtige Finanzbranche durch den Brexit einen spürbaren Abfluss von Unternehmen hinnehmen musste. Einer neuen Studie zufolge verlegten 400 Unternehmen Aktivitäten und Kapital in die EU.

Während seines Wahlkampfs versuchte sich Sadiq Khan auch als Cricket-Batsman. Wohl auch, um nicht immer an die 15.000 Covid-19-Toten in seiner Stadt zu denken.
Während seines Wahlkampfs versuchte sich Sadiq Khan auch als Cricket-Batsman. Wohl auch, um nicht immer an die 15.000 Covid-19-Toten in seiner Stadt zu denken. Foto: AFP/Niklas Halle'n

Khans Konzept gegen die Krise: „Jobs, Jobs, Jobs“. Doch das wird nicht einfach. Keine andere britische Region verlor in der Pandemie so viele Jobs. Nirgendwo sonst wurden so viele Menschen mit dem der deutschen Kurzarbeit nachempfundenen Furlough-System freigestellt. Viele werden wohl nicht mehr an ihre alten Arbeitsplätze zurückkehren, wenn die staatliche Unterstützung eingestellt wird. Und das in einer Stadt, in der die durchschnittliche Kaltmiete für eine Wohnung 2200 Euro im Monat kostet.

Jeder dritte Londoner gilt als arm

Beinahe ein Drittel der Londoner leben Schätzungen zufolge in relativer Armut.  Den Glasfassaden der Wolkenkratzer in der City stehen Beton-Wohntürme gegenüber. Die Menschen dort leben günstiger, weil es sich oft um Sozialwohnungen handelt, aber auch in beklemmender Enge.

Auch das gigantische Nahverkehrsnetz mit der berühmten U-Bahn ist unter Druck: „Transport for London“ ist zu einem großen Teil von Ticketverkäufen abhängig. Diese brachen in der Pandemie jedoch um 90 Prozent ein. Positiv war, dass Langzeitprobleme wie Luftverschmutzung und die blutige Messerkriminalität zurückgingen. Ob es dabei bleibt, ist ungewiss. Erst kürzlich starb ein 14 Jahre alter Junge. 2021 wurden bereits fast ein Dutzend Menschen durch Messerstiche getötet, allesamt Jugendliche und junge Männer.