Ukrainische Soldaten untersuchen nach einem Gefecht in Butscha zerstörte russische Militärfahrzeuge.
Ukrainische Soldaten untersuchen nach einem Gefecht in Butscha zerstörte russische Militärfahrzeuge. dpa/AP/Efrem Lukatsky

Die ukrainischen Behörden haben ihre Warnungen vor einer großen russischen Offensive im Osten des Landes verstärkt. „Die russischen Truppen werden zu noch größeren Operationen im Osten unseres Staates übergehen“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntagabend. „Die Schlacht um den Donbass wird mehrere Tage dauern, und während dieser Tage könnten unsere Städte vollständig zerstört werden“, erklärte der ukrainische Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Gajdaj, auf Facebook.

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Die russische Armee arbeitet weiter am „Minimalplan Ostukraine“, heißt es aus Kiew in der Nacht zum Montag. Es geht um eine neue Großoffensive. Es geht um jene Gebiete von Luhansk und Donezk, die noch nicht unter russischer Kontrolle stehen. Es geht um die seit Wochen belagerte Hafenstadt Mariupol, die endgültig eingenommen werden soll. Es gibt mindestens zwei große Probleme, die die Armee von Kreml-Chef Wladimir Putin hemmen.

Militärexperten des Institute for the study of war in den USA haben die russischen Aussichten im Krieg gegen die Ukraine analysiert. Ihre drei wichtigsten Erkenntnisse lauten:

Die russischen Truppen sind nicht stark genug

Es sei prinzipiell nie leicht, die militärische Schlagkraft einer Armee richtig einzuschätzen. Dennoch gibt es Anhaltspunkte, die die Experten dazu bewegen, zur ersten Schlussfolgerung zu kommen:

„Es ist unwahrscheinlich, dass Russland ausreichend Kampfkraft zusammenziehen kann, um seine zahlentechnische Überlegenheit in der Ostukraine auch wirklich ausspielen zu können.“

Russland hat seine Truppen aus Kiew weitgehend abgezogen, formiert sich nun im Osten neu. Es geht darum, Gebiete in den Regionen Donezk und Luhansk zu erobern. „Die russische Armee arbeitet weiter an ihrem Minimalplan Ostukraine“, sagte die ukrainische stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar in der Nacht zum Montag.

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Dazu werden Truppen neu zusammengestellt. Das US-Verteidigungsministerium gab kürzlich an, dass 15 bis 20 Prozent der russischen Soldaten nicht mehr einsatzfähig seien. Die Experten schreiben dazu: „Wenn Russland noch 80 bis 85 Prozent der Einheiten voll mobilisieren kann, hätten sie noch sehr große Feuerkraft.“

Doch wie gut können neu zusammengewürfelte Truppen überhaupt funktionieren? „Die dezimierten Einheiten aus dem Kampf um Kiew würden höchstens aufgefüllt mit Soldaten aus anderen dezimierten, demoralisierten Einheiten. Diese Bataillone hätten keinen großen Wert“, so die Experten.

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Ukrainische Soldaten durchfahren den Ort Butscha.
Ukrainische Soldaten durchfahren den Ort Butscha. dpa/AP/Vadim Ghirda

Die Moral der russischen Soldaten ist schwach

Was entscheidet im Krieg über Sieg oder Niederlage? Nicht zuletzt die Moral der Soldaten. Und mit dieser soll es nicht weit her sein, heißt es aus Expertenkreisen.

„Die russische Armee leidet noch immer unter einer verheerenden Moral. Sie hat zudem Rekrutierungsprobleme. Die Fähigkeit, effektiv zu kämpfen, wird dadurch ernsthaft untergraben“, schreibt das Institute for the study of war.

Er kürzlich hieß es, dass sich Fallschirmspringer der 76. Guards Airborne Division weigern würden, in den Krieg zu ziehen. Die Männer sollen ihre Kündigung eingereicht haben und deren Wirksamkeit nun sogar vor Gericht zu erzwingen versuchen. Auch heißt es, dass Mitglieder der russischen Nationalgarde Rosgvardia die Einberufung verweigert haben sollen. Immer wieder ist aus der Ukraine von russischen Soldaten berichtet worden, die aufgeben, nach Hause fliehen. Sie werden wohl ebenfalls nicht in den Krieg zurückkehren.

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Der Ausgang des Krieges gegen die Ukraine ist unklar

Die Schlussfolgerung aus ihren ersten beiden Feststellungen ist für das Institute for the study of war: „Der Ausgang der bevorstehenden russischen Operationen in der Ostukraine bleibt sehr fraglich.“

Die Masse der russischen Soldaten bedeute nicht gleich hohe Krampfkraft. Allerdings haben sie dazugelernt, haben die Befehlskette deutlich verschlankt. General Alexander Dwornikow wird der einzige Kommandeur für die gesamte Militäroperation im Osten sein. Es ist nicht mehr nur einer von drei Befehlshabern. Doch die Lösung aller russischen Problem sei das laut Militärexperten nicht.