Russische Ukraine-Invasion: Wie gefechtsbereit sind Deutschland und die Bundeswehr?
Plötzlich herrscht Krieg: Wie schlecht sind wir darauf vorbereitet?

Krieg ist für die Bundeswehr kein Fremdwort: Viele deutsche Soldaten waren auf Auslandseinsätzen, auch unmittelbar an Kriegseinsätzen beteiligt. Der langjährige, gescheiterte Einsatz in Afghanistan ist vielen noch in Erinnerung. Der als Friedensmission konzipierte Einsatz in Mali gilt inzwischen ebenfalls als gescheitert. Aktuell befinden sich 3000 Männer und Frauen der Bundeswehr auf elf Einsätzen in drei Kontinenten.
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Dazu gehört auch die Nato-Ostflanke, die unmittelbar an die Ukraine angrenzt: So hat das Luftwaffengeschwader 74 aus Neuburg/Donau Eurofighter nach Rumänien entsandt, um die dort stationierten italienischen Luftstreitkräfte zu unterstützen. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht prüft, ob in Litauen seit 2017 stationierte Einheiten aufgestockt werden. Bislang befinden sich knapp 1000 Bundeswehr-Angehörige am Militärstützpunkt Rukla, 350 davon wurden gerade explizit wegen der eskalierten Ukraine-Krise dorthin entsandt.
Heeresinspekteur Mais äußert öffentlich Zweifel an der militärischen Einsatzbereitschaft

Dennoch gibt die Bundeswehr im Vergleich zu anderen Armeen ein blasses Bild ab. Sind Luftwaffe, Heer und Marine im Falle eines Angriffs überhaupt gefechtsbereit? Daran hat Heeresinspekteur Alfons Mais erhebliche Zweifel. In Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine äußert Mais öffentlich Kritik am Zustand der Bundeswehr. „Die Optionen, die wir der Politik zur Unterstützung des Bündnisses anbieten können, sind extrem limitiert“, schrieb der Generalleutnant am Donnerstag im Netzwerk Linkedin. „Ich hätte in meinem 41. Dienstjahr im Frieden nicht geglaubt, noch einen Krieg erleben zu müssen. Und die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da.“
Die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da.
Heeresinspekteur Alfons Mais
Der Generalleutnant machte seinem Ärger in ungewöhnlicher Offenheit Luft: „Wir haben es alle kommen sehen und waren nicht in der Lage, mit unseren Argumenten durchzudringen, die Folgerungen aus der Krim-Annexion zu ziehen und umzusetzen“, schrieb Mais. „Das fühlt sich nicht gut an! Ich bin angefressen!“
Mais forderte eine Neuaufstellung der Bundeswehr. „Sonst werden wir unseren verfassungsmäßigen Auftrag und unsere Bündnisverpflichtungen nicht mit Aussicht auf Erfolg umsetzen können“, schrieb er – und warnte: „Noch ist Nato-Territorium nicht direkt bedroht, auch wenn unsere Partner im Osten den konstant wachsenden Druck spüren.“ Über den russischen Angriff auf die Ukraine zeigte sich der Heeresinspekteur fassungslos: „Du wachst morgens auf und stellst fest: Es herrscht Krieg in Europa.“
Wehrbeauftragte: Bundeswehr muss schneller einsatzbereit sein
Der Konflikt mit Russland erhöht nach Ansicht der Wehrbeauftragten Eva Högl den Druck auf die Bundeswehr, im Krisenfall schneller einsatzbereit zu sein. „Die Einsatzbereitschaft und Kaltstartfähigkeit müssen weiter verbessert werden, damit die Bundeswehr schnell, flexibel und wirksam handeln kann“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstag).
„Für die Bundeswehr bedeutet der Konflikt in der Ukraine, dass sie sich wieder stärker auf ihre Kernaufgaben und auf die Bündnis- und Landesverteidigung konzentrieren muss – das betrifft Personal, Material, Infrastruktur, Ausbildung und Übungen“, so die Wehrbeauftragte des Bundestages. Es sei aber auch klar, dass der Konflikt letztlich nicht militärisch gelöst werden könne, sondern es eine gemeinsame Antwort von Nato und EU auf Basis von Sanktionen geben müsse.
Högl versicherte, dass die Ukraine sich auf Hilfe verlassen könne: „Wir stocken die Kräfte in Litauen auf, die Bereitschaftszeiten der schnellen Eingreiftruppe der Nato werden verkürzt. Das zeigt, dass wir die Ukraine in diesem Konflikt nicht allein lassen“, sagte sie.