Rettet uns Homeoffice aus der Wohnungsnot?
Die wachsende Bedeutung des Homeoffice in der Corona-Pandemie bietet nach Ansicht von Experten Chancen zu Entspannung an den Wohnungsmärkten.

Die Corona-Pandemie, das bedeutet vor allem Verzicht: auf Freunde, Urlaub und Alltag. Doch der Umbruch eröffnet auch neue Perspektiven. Zum Beispiel beim Wohnen, meinen Experten. Denn die wachsende Bedeutung des Homeoffice bietet ihrer Ansicht nach Chancen zu Entspannung an den Wohnungsmärkten.
Frei werdende Büroflächen könnten umgewidmet und als Wohnfläche genutzt werden, schreibt das Hannoveraner Pestel Instituts in einer Analyse, die ein Bündnis aus der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie, dem Deutschem Mieterbund und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) in Berlin vorstellte. Zudem dürften mehr Menschen aufs Land ziehen.
1 Prozent der Büroflächen entspricht 50.000 Wohnungen
Dem Bündnis zufolge gibt es in Deutschland mehr als 350 Millionen Quadratmeter Bürofläche. Mit jedem Prozent Fläche, das umgewidmet würde, ließen sich rund 50.000 neue Wohnungen mit je 70 Quadratmetern schaffen, rechnen die Verbände vor. Insgesamt könnten bis 2025 etwa 235.000 Wohnungen in innerstädtischen Bereichen aus bisherigen Büroflächen entstehen, wie das Kieler Bau-Beratungsinstitut Arge angibt. Dabei müsse es aber eine Sozialquote für bezahlbare Wohnungen geben.
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„Auch nach dem Ende der Corona-Pandemie werden viele Menschen und Unternehmen zumindest für einen Teil der Arbeitszeit auf das Homeoffice umstellen“, sagte der Vorstand des Pestel-Instituts, Matthias Günther. Der Trend zur Abwanderung aus den Städten ins Umland werde sich noch verstärken. „Gerade für Familien wird das Leben außerhalb der Stadt attraktiver, wenn Eltern nur noch an einigen Wochentagen ins Büro pendeln müssen.“
Dabei würden nun auch Regionen jenseits der Speckgürtel attraktiver – sofern sie gute Infrastruktur zu bieten hätten. „Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die für schnelles Internet in ihren Gemeinden gesorgt haben, sind die Gewinner dieser Entwicklung“, sagte Günther.
Er rechne damit, dass die Entwicklung sich schon in der zweiten Jahreshälfte deutlich zeigt, so Günther. „Das wird dafür sorgen, dass der Preisdruck auf Mieten und die Kosten von Wohneigentum in den Städten nachlässt und das Wohnen im Umfeld etwas teurer wird.“
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Die Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD hat sich bereits im Koalitionsvertrag das Ziel von 1,5 Millionen neuen Wohnungen gesetzt und das im Herbst 2018 bei einem „Wohngipfel“ bestätigt. Eine eigene Bilanz dieser „Wohnraumoffensive“ von Bund, Ländern und Kommunen will die Regierung am 23. Februar präsentieren.
Der Bundesvorsitzende der IG Bau, Robert Feiger, nannte die sogenannte Wohnraumoffensive der Bundesregierung einen Etikettenschwindel. „Denn es wird nach wie vor zu wenig gebaut, vor allem aber am Bedarf vorbei. Mieten und Kaufpreise sind für die meisten Haushalte nicht bezahlbar“, beklagte er.
„Seit Horst Seehofer Bundesbauminister ist, gibt es nicht mehr, sondern weniger Sozialwohnungen. Der Schwund ist enorm: 43.000 Sozialwohnungen sind bundesweit in den vergangenen fünf Jahren vom Markt verschwunden – und zwar Jahr für Jahr.“ Rechnerisch gehe alle zwölf Minuten in Deutschland eine Sozialwohnung verloren.
Horst Seehofer (CSU) selbst stellt der Regierung dagegen ein gutes Zeugnis aus. „Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit und wir sorgen dafür, dass Wohnen bezahlbar bleibt. Das geht nur mit ausreichend neuem Wohnraum“, sagte der Bauminister. Innerhalb von vier Jahren werden 1,5 Millionen neue Wohnungen im Bau oder fertig gestellt sein. Außerdem stehen Fördermittel für 100.000 neue Sozialwohnungen bereit. Die Vereinbarungen der „Wohnraumoffensive“ seien umgesetzt worden.