Fischer in Not

Rettet sie das Krabbenbrötchen? Christin baut die Pul-Maschine!

Nordseekrabben werden vor allem in Marokko gepult, ein Umweltblödsinn sondergleichen.

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Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) bekam es im Hafen von Greetsiel mit verzweifelten Fischern zu tun, die wegen der hohen Dieselpreise nicht mehr aufs Meer fahren.
Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) bekam es im Hafen von Greetsiel mit verzweifelten Fischern zu tun, die wegen der hohen Dieselpreise nicht mehr aufs Meer fahren.dpa/Lars Klemmer

Der Name der Maschine sollte schon mal feststehen: Ottomat bietet sich an. Denn im Lande des Herrn Waalkes soll eine Apparatur entstehen, die Krabben pult. Das wäre ein großer Erfolg für Fischer und Umwelt, denn bisher werden die meisten Nordseekrabben händisch gepult – in Marokko. Fischereiexperten, die in einem Forschungsprojekt ausloten, wie man möglichst viel Wertschöpfung (und damit Geld) der Krabbenfischerei in Norddeutschland lässt, setzen samt den Fischern unter anderem große Hoffnung auf eine  Krabbenpulmaschine mit Ultraschall-Technik.

Umwelt- und Verbraucherschützer halten die 1991 aufgenommenen Transporte in „Schälzentren“ nach Marokko, wo Handarbeit billig ist, für schädlichen Blödsinn. Für die Entwicklung einer Maschine fehlte bisher aber das nötige Geld. Das ist jetzt da, Niedersachsens Fischereiministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) überreichte im Hafen von Greetsiel (Ostfriesland) einen Förderbescheid über rund 2,3 Millionen Euro.

Ziel des auf drei Jahre angelegten Projektes sei es, die Krabbenfischerei nachhaltig und zukunftsfähig aufzustellen, sagte Otte-Kinast. „Wir wollen die Krabbenfischerei widerstandsfähiger gegen Krisen machen.“ Dazu soll das Projekt die gesamte Wertschöpfungskette vom Fang über die Verarbeitung bis zum Verkauf in den Blick nehmen.

„Es ist wichtig, dass es jetzt losgeht“, sagte Christin Klever (35). Die Maschinenbauerin aus Großheide (Landkreis Aurich) hat das neue, patentierte Pul-Verfahren entwickelt. Seit 2017 hatte sie zusammen mit ihrem Vater Günther nach Möglichkeiten gesucht, die Technik aus dem Labor mit einem Prototypen im größeren Maßstab zu testen. Doch bei der Förderung der rund 800.000 Euro teuren Technik gab es immer wieder Rückschläge. Innerhalb des Forschungsprojektes könne der Prototyp nun binnen einen Jahres entstehen, sagte die Ingenieurin.

Die Maschinenbau-Ingenieurin Christin Klever ist die Hoffnung der Krabbenfischer.
Die Maschinenbau-Ingenieurin Christin Klever ist die Hoffnung der Krabbenfischer.Lars Klemmer

Bei ihrem Verfahren brechen Stoßwellen des Ultraschalls die Chitin-Panzer der in einem Becken schwimmenden Krabben auf, ohne das begehrte Krabbenfleisch zu beschädigen (in der Medizin werden so Nierensteine zertrümmert).

Nach einigen Minuten lassen sich dann Schale und Fleisch trennen. Andere Maschinen mit Messern, die bereits existieren, arbeiten nicht so zuverlässig, dass sie bereits im großen Maßstab eingesetzt werden könnten.

Günther Klever hat noch eine weitergehende Idee: Aus dem Panzer und dem Kopf der Tiere könne man Rohstoffe für die Kosmetikindustrie oder für die Herstellung biologisch abbaubarer Kunststoffe gewinnen – idealerweise würden die gepulten Krabben darin verpackt.

Wissenschaftler prüfen Wirtschaftlichkeit der Pul-Maschine

Die neue Technik wird vom federführenden Thünen-Instituts für Seefischerei und der Uni Göttingen insbesondere auf ihre Wirtschaftlichkeit hin durchleuchtet: Wie groß müssten die Maschinen sein? Wo könnten sie installiert werden? Welche Anforderungen hat der Markt?

Dirk Sander, Vorsitzender des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, begrüßte das Forschungsvorhaben. Sollte es funktionieren, Krabben maschinell im großen Stil in Norddeutschland zu entschälen, könne dies die Fischer unabhängiger von Großhändlern machen. Denn dann hätten sie die Verarbeitung stärker selbst in der Hand.

Sander bedauerte aber auch, dass bei dem Projekt viel Zeit verstrichen sei. „Jetzt ist die Frage: Ist es schon zu spät?“ Denn aktuell setzen die enorm gestiegenen Kraftstoffpreise die Fischer unter Druck. Da das Fischen laut Erzeugergemeinschaften nicht mehr wirtschaftlich ist, bleiben zurzeit viele Kutter in den Häfen liegen.

Ein Transparent am Fischernetz in Greetsiel fordert politische Hilfe: Diesel ist zu teuer.
Ein Transparent am Fischernetz in Greetsiel fordert politische Hilfe: Diesel ist zu teuer.dpa/Lars Klemmer

Dabei hatten die Krabbenfischer nach drei schwierigen Jahren mit geringen Fangmengen, niedrigen Erzeugerpreisen und Engpässen beim Krabbenpulen in Marokko durch die Corona-Pandemie auf ein gutes Wirtschaftsjahr 2022 gehofft.

Am Rande der Förderbescheid-Übergabe machte eine Gruppe von Fischern mit Bannern auf die  gestiegenen Dieselpreise aufmerksam. Otte-Kinast signalisierte den Fischern, sie sei mit ihren Amtskollegen in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern im Austausch, um den Betrieben schnelle Hilfen zu ermöglichen.