Das Bild der schwedischen Küstenwache zeigt die massiven Auswirkungen von Methangas, das aus den gesprengten Nord-Stream-Röhren entweicht.
Das Bild der schwedischen Küstenwache zeigt die massiven Auswirkungen von Methangas, das aus den gesprengten Nord-Stream-Röhren entweicht. imago/Cover Images

Sensationelle Enthüllung, oder ist einer der renommiertesten US-Journalisten einer Ente aufgesessen? Seymour Hersh gilt als Reporterlegende. Weltbekannt wurde er durch investigative Reportagen zu Kriegsverbrechen der US-Armee in Vietnam und über den Folterskandal während des Dritten Golfkriegs im Irak. Hersh zufolge ist die Pipeline North Stream nicht, wie vermutet, von Russland gesprengt worden, sondern von den USA. Was ist dran an der Geschichte, die derzeit in den sozialen Medien vielfach geteilt wird?

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Für Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht war die Angelegenheit von Anfang an klar: Die russische Invasion in der Ukraine war ihr zufolge nur eine Konsequenz auf eine angebliche US-Aggression. Wenig überraschend gehört sie zu denjenigen, die die Geschichte auf Twitter teilt, die im Wortsinne Sprengstoff beinhaltet. Nach Recherchen des betagten Starjournalisten Seymour Hersh (85) stecken die USA hinter der mysteriösen Sprengung von Gas-Pipelines. Haben US-Marinetaucher North Stream zerstört?

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Hersh zufolge sollen US-Marinetaucher im vergangenen Juni bei einer vom Weißen Haus angeordneten verdeckten Operation Sprengsätze an den Gaspipelines angebracht haben. Die Sprengsätze seien dann im September mit Hilfe Norwegens ferngezündet worden. Hersh, eine 85-jährige Reporterlegende, scheint sich in seinem Bericht auf eine einzige Quelle zu berufen, die angeblich im US-Machtapparat sitzt. Er veröffentlichte den Bericht auf seinem Blog und nicht in einem großen US-Medium.

Verdacht richtete sich nach vier Explosionen an Nord Stream gegen Russland

Insgesamt vier Explosionen hatten im September in den Wirtschaftszonen Schwedens und Dänemarks in der Ostsee mehrere Lecks in die Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 gerissen, die für den Transport von russischem Gas nach Deutschland gebaut worden waren. Die Pipelines waren zum Zeitpunkt der Explosionen nicht in Betrieb, enthielten aber Gas. Nach Angaben Schwedens steckt Sabotage hinter dem Vorfall. Demnach wurden Sprengstoffreste nachgewiesen.

Der Verdacht richtete sich umgehend gegen Russland, Moskau wies aber jede Verantwortung von sich. Erst vor wenigen Tagen sagte Generalbundesanwalt Peter Frank in einem Interview, es gebe bislang keine Beweise für eine Urheberschaft Russlands.

Russland wiederum hatte bereits kurz nach den Detonationen angedeutet, die USA könnte für die Explosionen verantwortlich sein. „Der US-Präsident muss auf die Frage antworten, ob die USA ihre Drohung umgesetzt haben“, erklärte eine Sprecherin des russischen Außenministeriums damals.

US-Präsident Joe Biden hatte Russland gewarnt: „dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben“

Hintergrund waren Äußerungen von US-Präsident Joe Biden vom Februar 2022 bei einem Washington-Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Biden hatte Wochen vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gewarnt, sollte Russland im Nachbarland einmarschieren, „dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben“. Das „verspreche“ er, betonte der Präsident, ohne nähere Angaben zu machen. „Wir werden dem ein Ende bereiten.“

Damals stand die Frage im Raum, ob die USA mit Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG versuchen könnten, eine Inbetriebnahme der Pipeline zu verhindern. Es war dann die Bundesregierung, die Nord Stream 2 ein Ende setzte: Kurz vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine legte Berlin das Projekt auf Eis. Scholz reagierte damit auf die Anerkennung der Unabhängigkeit der Separatisten-Gebiete in der Ostukraine durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

So reagiert die US-Regierung auf die Nord-Stream-Vorwürfe von Reporterlegende Hersh

Die USA wiesen den Bericht kategorisch zurück. „Diese Behauptung ist völlig und vollkommen falsch“, sagte ein Sprecher des Auslandsgeheimdienstes CIA am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Hersh zufolge sollen die USA ein gemeinsam mit Norwegen durchgeführtes NATO-Manöver genutzt haben, um unbemerkt Sprengsätze an der Pipeline anzubringen, um diese anschließend ferngesteuert zu zünden. Ein norwegisches Überwachungsflugzeug soll dem Journalisten zufolge eine Sonarboje ausgesetzt haben, von der das Signal zur Zündung ausgegangen sei. Für den Überflug gibt es tatsächlich nachprüfbare Daten, die Details zur angeblichen Signalboje und dem vermeintlichen US-Tauchereinsatz entstammen jedoch ausschließlich einer nicht objektiv nachprüfbaren Quelle.

Wer auch immer die Sprengung veranlasst hat, die Spuren wurden so gut verwischt, dass bis heute nicht bewiesen werden konnte, welcher Staat oder welche Organisation dahintersteckt. Nur so viel ist gewiss: Es war gezielte Sabotage, kein Missgeschick.