Reisen, Einkaufen, Ausgehen: Diese Privilegien stehen Geimpften bald offen
Der grüne Impfpass soll die Teilhabe am öffentlichen Leben ermöglichen. Was die Impfung bald ermöglichen soll.

Einen Impfzwang gibt es nicht, doch immer stärker steigt der Druck auf nicht gegen Corona Geimpfte: Regierungen haben schon weitgehende Planungen, wie das öffentliche Leben wieder hochgefahren werden kann. Voraussetzung an einem Leben wie vor der Pandemie ist die Impfung. „Wer geimpft ist, kann ohne weiteren Test ins Geschäft oder zum Friseur. Zudem müssen nach Einschätzung des RKI vollständig Geimpfte auch nicht mehr in Quarantäne", so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in der Bild am Sonntag. Das heißt umgekehrt: Ohne Impfung wird man bald außen vor bleiben.
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Bislang sind in Deutschland allerdings erst zwölf Prozent der Bevölkerung zumindest einmal geimpft worden. Die Impfquote in Israel beträgt über 60 Prozent, in Großbritannien ist fast jede zweite Person geimpft. Dort wird das öffentliche Leben nach und nach wieder angefahren werden, in Israel stehen Geimpften die Nachtclubs wieder offen – ohne Maske und Abstand. Rein darf nur, wer einen "grünen Pass" vorzeigen kann.
Spahn: AHA-Regeln gelten für Geimpfte vorerst weiter
Gesundheitsminister Spahn stellte allerdings am Ostersonntag klar, dass auch für vollständig Geimpfte in der aktuellen Phase der Pandemie weiterhin Corona-Regeln wie Abstand, Hygiene und Schutzmasken gelten werden. „Denn sowohl der tagesaktuelle Test als auch die vollständige Impfung reduzieren das Infektionsrisiko zwar deutlich, aber sie geben keine hundertprozentige Sicherheit davor, andere zu infizieren“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Er betonte zugleich: „Wer vollständig geimpft wurde, kann beim Reisen oder beim Einkaufen wie jemand behandelt werden, der ein negatives Testergebnis hat. Das ist eine wichtige Erkenntnis und erleichtert den Alltag enorm.“
Einen ähnlichen Impfnachweis wie den "grünen Pass", der voraussichtlich digital auf dem Handy gespeichert werden soll, ist EU-weit geplant. Dieser soll bald das Reisen in Europa trotz Corona-Pandemie ermöglichen. Das Thema ist ein wichtiges Anliegen der stark vom Tourismus abhängigen Mitgliedstaaten. Griechenland und seit Donnerstag auch Zypern sind ihren EU-Partnern hier bereits voraus: Auf Basis bilateraler Abkommen erlauben sie Touristen-Verkehr mit Israel für Geimpfte. Ein Überblick über die Pläne auf EU-Ebene
Wie konkret sind die Planungen der EU-Länder?
Einige haben bereits Impfausweise in verschiedener Form eingeführt oder sind im Begriff, dies zu tun. Neben Griechenland und Zypern planen etwa Dänemark und Schweden einen Gesundheitspass, der seinem Besitzern schon bald auch auf nationaler Ebene Vorteile bringen sollen. In Estland und Polen laufen Pilotprojekte mit digitalen Impfausweisen. In Deutschland hat das Bundesgesundheitsministerium IBM und drei weitere Unternehmen mit der Entwicklung einer Impfpass-App beauftragt.
Was ist auf EU-Ebene geplant?
Die EU-Kommission soll im Auftrag der 27 EU-Länder dafür sorgen, dass kein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen entsteht. Mitte März schlug sie deshalb die gesetzliche Einführung eines sogenannten grünen Zertifikats vor: Die nationalen Behörden müssen diese Dokumente dann ausstellen und dabei Vorgaben aus Brüssel beachten, die allerdings noch im Detail von EU-Parlament und den Mitgliedstaaten ausgehandelt werden müssen.
Welche Informationen soll das Zertifikat enthalten?
Es soll Auskunft darüber geben, ob ein Mensch das Coronavirus weiterverbreiten kann oder zumindest wie wahrscheinlich dies ist. Neben Informationen über eine etwaige Corona-Impfung soll das Dokument deshalb auch aktuelle Testergebnisse und Angaben über eine überstandene Corona-Erkrankung enthalten.
Wie soll es aussehen?
Das Zertifikat ist in erster Linie als digitales Dokument gedacht, um es auf Mobilgeräten vorzeigen zu können. Es soll aber auch ausgedruckt werden können. Wichtig ist, dass ein Barcode gescannt werden kann, um die Echtheit zu prüfen. Das Dokument soll in der jeweiligen Landessprache und auf Englisch ausgestellt werden.
Wofür soll es genutzt werden?
Das Zertifikat soll laut Kommission das Reisen erleichtern, aber keinesfalls eine "Voraussetzung für die Ausübung der Freizügigkeit sein". Die Behörden der Mitgliedstaaten könnten etwa bei Einreise auf Basis der Angaben im Zertifikat auf bestehende Test- oder Quarantänepflichten verzichten.
Die Bundesregierung verweist darauf, dass nach wie vor nicht gesichert ist, ob Geimpfte das Coronavirus nicht doch weiterverbreiten können. Deshalb sei es noch zu früh, um festzulegen, welche Rechte mit dem Impfpass verbunden sein werden.
Welche Impfstoffe zählen?
Den Plänen zufolge kommen nur Impfungen mit den von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA zugelassenen Impfstoffen in Frage. Das sind derzeit die Mittel von Biontech/Pfizer, Moderna, Astrazeneca und Johnson & Johnson. Ungarn zum Beispiel verimpft aber auch das russische Vakzin Sputnik V und das des chinesischen Herstellers Sinopharm. Laut Kommission soll es den anderen Mitgliedstaaten freistehen, ob sie Bescheinigungen über Impfungen mit diesen Mitteln anerkennen oder nicht.
Wann kommt das Zertifikat?
Das kann noch dauern. Die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament müssen noch jeweils ihre Position festlegen und dann untereinander den finalen Gesetzestext aushandeln. Parlamentsvertreter nennen Anfang Juni als möglichen Zeitpunkt einer Verabschiedung des Gesetzes. Die technische Umsetzung soll nach Angaben der Kommission parallel dazu anlaufen.
Wo könnten Schwierigkeiten auftreten?
Im Laufe des Gesetzgebungsprozesses könnten unterschiedliche Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten oder Datenschutzbedenken des EU-Parlaments noch die Annahme verzögern. Außerdem ist das Unterfangen, 27 nationale Lösungen über einen gemeinsamen Standard unter einen Hut zu bringen, technisch komplex. Probleme und Verzögerungen sind nicht ausgeschlossen.