Migrationspolitik im Mittelpunkt

Rechtsruck in Europa: Rutscht Europa politisch nach rechts?

In Stockholm, Helsinki und Rom sitzen sie – direkt oder indirekt – bereits an den Schalthebeln der Macht: rechte und populistische Parteien.

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Die AfD ist vor allem im Osten Deutschlands auf dem Vormarsch.
Die AfD ist vor allem im Osten Deutschlands auf dem Vormarsch.Martin Schutt/dpa

In Stockholm, Helsinki und Rom sitzen sie – direkt oder indirekt – bereits an den Schalthebeln der Macht: rechte und populistische Parteien. Nach dem Bruch der Vier-Parteien-Koalition von Ministerpräsident Mark Rutte könnte das auch den Niederlanden bald bevorstehen. Und in Deutschland sehen Meinungsumfragen die rechte AfD ebenfalls auf dem Vormarsch. Auffallend ist: Überall spielt die Migrationspolitik dabei eine große Rolle. Rutscht Europa politisch nach rechts?

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Schweden: Zusammenarbeit mit den Rechten

Bei der Parlamentswahl 2022 wurden die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD) mit über 20 Prozent der Stimmen erstmals zweitstärkste Kraft hinter den abgelösten Sozialdemokraten. Die Partei hat Wurzeln in der Neonazi-Szene der 90er Jahre und wird von vielen Schwedinnen und Schweden äußerst kritisch gesehen. Dennoch entschied sich der Chef der konservativen Partei „Die Moderaten“, Ulf Kristersson, auf seinem Weg ins Amt des Regierungschefs zu einer engen Zusammenarbeit mit den SD.

Parteichef Jimmie Åkesson von den Schwedendemokraten: Die Rechten sitzen zwar nicht direkt in seiner konservativ-liberaler Koalition - die Minderheitsregierung ist aber auf ihre Unterstützung angewiesen.
Parteichef Jimmie Åkesson von den Schwedendemokraten: Die Rechten sitzen zwar nicht direkt in seiner konservativ-liberaler Koalition - die Minderheitsregierung ist aber auf ihre Unterstützung angewiesen.Maja Suslin/TT News Agency via AP/dpa

Finnland: Die Rechten in der Regierung

Rechtsruck auch in Helsinki: Seit Ende Juni regiert hier eine Vier-Parteien-Koalition unter der Führung des konservativen Ministerpräsidenten Petteri Orpo. Seine Nationale Sammlungspartei war bei der Wahl Anfang April stärkste Kraft vor der rechtspopulistischen Partei „Die Finnen“ und den Sozialdemokraten seiner Vorgängerin Sanna Marin geworden. Anders als in Schweden sitzen die Rechten in Finnland nun mit in der Regierung.

Niederlande: Neuwahl mit Rechtsruck

Die nun zerbrochene Regierung war bereits die vierte in Folge unter Führung der rechtsliberalen VVD mit dem seit fast 13 Jahren regierenden Mark Rutte. Zu dieser Koalition hatten sich vier Parteien verschiedenster Ausrichtung in neun Monaten Koalitionsverhandlungen zusammengerauft. Doch bei vielen wichtigen Themen wurden kaum Entscheidungen getroffen. Einig waren sich alle, dass der Flüchtlingszuzug in das kleine und dicht bevölkerte Land begrenzt werden soll – die VVD aber pochte auf eine Beschränkung des Familiennachzugs, was den anderen Parteien zu weit ging. Ob es bei einer Neuwahl zu einem Rechtsruck kommt, ist noch unklar.

Italien: Rechts-Rechts-Mitte-Koalition regiert skandalfrei

2022 kam Giorgia Meloni von der ultrarechten Partei „Fratelli d'Italia“ an die Macht zusammen mit den kleineren Rechtspopulisten der „Lega“ und der rechtskonservativen „Forza Italia“. Meloni konnte praktisch alle Unzufriedenen – Corona-Zweifler, EU-Kritiker, Ausländerfeinde, Russland-Freunde und Gegner von Waffenlieferungen an die Ukraine – auf sich vereinen. Ihre Rechts-Rechts-Mitte-Koalition regiert Italien seitdem relativ skandalfrei – zumindest gemessen an den Befürchtungen wegen Melonis Wurzeln in einer aus dem Faschismus hervorgegangenen Partei. International blieb Italien unter ihr ein verlässlicher Partner.

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Frankreich: Rechte Partei der gefürchtetste Gegner

In Frankreich legte das rechtsnationale „Rassemblement National“ von Marine Le Pen bei der Parlamentswahl vor gut einem Jahr kräftig zu und ist nun größte Oppositionsfraktion in der Nationalversammlung. Für das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron ist die rechte Partei inzwischen der gefürchtetste Gegner, der gestärkt aus den Rentenprotesten hervorgegangen ist und auch von den jüngsten Vorstadtkrawallen profitieren dürfte. Da Frankreich erst 2027 wieder wählt, ist aber offen, ob all das zu einem Rechtsruck führen wird.

Marine Le Pen ist in Frankreich Parteichefin der rechtsextremen Oppositionspartei Rassemblement National.
Marine Le Pen ist in Frankreich Parteichefin der rechtsextremen Oppositionspartei Rassemblement National.Emmanuel DUNAND / AFP

Rechtsruck in Deutschland: AfD im Aufschwung

Seit Monaten sonnt sich die rechtspopulistische und vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtete AfD im Umfragehoch. Bundesweit liegt sie bei etwa 20 Prozent – und damit vor der Kanzlerpartei SPD. 2013 als Anti-Euro-Partei gestartet, wurde die AfD in der Flüchtlingskrise 2015/16 stark. Das Thema Migration ist bis heute zentral für sie und durch die stark gestiegenen Asylbewerberzahlen aktueller denn je. Der jüngste Sprung in den Zustimmungswerten wird aber auch als Folge des Streits in der Ampel-Koalition etwa über das Heizungsgesetz gewertet, das viele Menschen in Deutschland verunsichert.