Rechtsextremisten ermordeten fünf Verwandte, aber Mevlüde Genç gab dem Hass keinen Raum
Trauerversammlung für die Verstorbene, die in einer Nacht zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verloren hatte

Fast tausend Menschen haben am Tatort des rechtsextremen Brandanschlags von Solingen Abschied von Mevlüde Genç genommen, standen dem Witwer Durmus Genç und anderen Verwandten zur Seite. Die Frau, der die Täter 1993 fünf Familienmitglieder genommen hatten, war in der Nacht zum Sonntag im Alter von 79 Jahren verstorben. Sie hätte allen Grund zum Hass gehabt, rief aber nach der mörderischen Tat zur Versöhnung auf.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst, die Ministerinnen Mona Neubaur und Josefine Paul, der türkische Botschafter Ahmet Başar Şen und Bürgermeister Tim Kurzbach waren am Dienstag in die Untere Wernerstraße gekommen, wo der Sarg unter freiem Himmel aufgebahrt war. Er sollte nach der Zeremonie zur Beerdigung in die Türkei überführt werden.

Genç habe etwas Unvorstellbares geschafft, sagte Wüst. Sie habe trotz des entsetzlichen Verlusts „die Hand gereicht für Frieden und Versöhnung. Sie hat dem Hass Liebe entgegengesetzt.“

Am 29. Mai 1993 hatten Rechtsextreme das Haus der Familie in Solingen in Brand gesetzt. Das Ehepaar Genç verlor zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte – Saime (4) und Hülya Genç (9), Gülüstan Öztürk (12), Hatice Genç (18) und Gürsün Ince (27).
17 Familienmitglieder überlebten zum Teil schwer verletzt.
Gepeinigtes Ehepaar nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an
Schon kurz nach dem Attentat hatte Mevlüde Genç zur Versöhnung aufgerufen und immer wieder gemahnt, dass dem Hass Einhalt geboten werden müsse. Sie und ihr Mann Durmus blieben in Solingen, nahmen 1995 die deutsche Staatsangehörigkeit an.

Für ihren Einsatz um Versöhnung hatte Mevlüde Genç das Bundesverdienstkreuz erhalten. Die NRW-Landesregierung stiftete 2018 ihr zu Ehren eine Mevlüde-Genç-Medaille. Sie wird jährlich rund um den Jahrestag des Brandanschlags von Solingen am 29. Mai an Menschen verliehen, die sich um Versöhnung, Toleranz und Zusammenhalt verdient gemacht haben.
Ein zur Tatzeit volljähriger Mann wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt, die drei anderen zu zehn Jahren Jugendhaft. Alle sind inzwischen wieder frei.