Polizisten angegriffen und verletzt

Gießen: Schwere Ausschreitungen bei Eritrea-Festival

Die Polizei sprach von massiven Angriffen auf die Beamten. Pfefferspray und Schlagstöcke kamen zum Einsatz. Über 1000 Polizisten sind im Einsatz, 26 wurden verletzt.

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Im Zusammenhang mit dem umstrittenen Eritrea-Festival in Gießen hat die Polizei am Samstag Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt. Mehrere Menschen hätten versucht, eine Polizeikette zu durchbrechen, teilten die Beamten auf Twitter mit. 
Im Zusammenhang mit dem umstrittenen Eritrea-Festival in Gießen hat die Polizei am Samstag Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt. Mehrere Menschen hätten versucht, eine Polizeikette zu durchbrechen, teilten die Beamten auf Twitter mit. Helmut Fricke/dpa

Gewalt, verletzte Polizisten und Sachbeschädigungen - bei dem umstrittenen Eritrea-Festivals in Gießen ist es am Samstag zu den von Polizei und Stadt befürchteten Ausschreitungen gekommen. 26 Polizisten wurden verletzt.

„Die Kollegen wurden massiv angegriffen, Steinewürfe, Flaschenwürfe, Rauchbomben“, sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur. 26 Einsatzkräfte seien unter anderem durch Steinwürfe verletzt worden, zunächst war von 22 Verletzten die Rede. Ein Großteil von ihnen habe seinen Dienst aber fortsetzen können, teilte das Polizeipräsidium Mittelhessen am Samstagabend mit. Nach bisherigen Erkenntnissen seien zudem keine Unbeteiligten verletzt worden.

Die Polizei sprach am späten Nachmittag davon, dass sich die Lage wieder beruhigt habe. Auch eine Kundgebung, die am frühen Nachmittag begann, sei ohne Zwischenfälle geblieben. Die Polizei geleitete einige Teilnehmer der Demo nach Ende der Versammlung zu ihren Bussen.

Zwischenzeitlich hatte die Polizei über Twitter dazu geraten, das Stadtgebiet zu meiden und weiträumig zu umfahren, da die Einsatzkräfte wegen der dynamischen Einsatzlage zu vielen verschiedenen Orten verlegt werden müssten.

Der Veranstalter gilt als regierungsnah, das Festival ist daher umstritten

Das zweitägige Eritrea-Festival wurde in der Hessenhalle veranstaltet, die ein Stück außerhalb der Gießener Innenstadt auf der anderen Lahn-Seite liegt. Der Veranstalter, der Verein Zentralrat der Eritreer in Deutschland, gilt als regierungsnah. Das Festival ist daher umstritten. Bereits im August vor einem Jahr war es bei der Vorgänger-Veranstaltung zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen. Der Zentralrat der Eritreer in Deutschland rechnete am Samstag und Sonntag mit jeweils etwa 2500 Besuchern.

Eritrea mit seinen rund drei Millionen Einwohnern liegt im Nordosten Afrikas am Roten Meer und ist international weitgehend abgeschottet. Seit einer in einem jahrzehntelangem Krieg erkämpften Unabhängigkeit von Äthiopien vor 30 Jahren regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Parteien sind verboten, die Meinungs- und Pressefreiheit stark eingeschränkt. Es gibt weder ein Parlament noch unabhängige Gerichte oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Zudem herrscht ein strenges Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem, vor dem viele Menschen ins Ausland fliehen.

Die Veranstalter des Festivals sprechen von einem Familienfest

Die Veranstalter des Festivals sprechen nach Angaben der Stadt von einem Familienfest. Auf dem Programm stünden außer Musik und Essen auch politische Reden. Worum es in den Reden gehe, sei nicht bekannt, sagte eine Stadtsprecherin. Das Festival sei vor mehr als zehn Jahren von Frankfurt nach Gießen gezogen, wohl wegen der zentralen Lage der mittelhessischen Stadt und der für das Fest geeigneten Halle.

Die Polizei hatte sich seit Tagen auf eine Großlage und die Anreise potenziell gewaltbereiter Gegner der Veranstaltung eingestellt. Die Stadt Gießen hatte das Festival zunächst wegen Sicherheitsbedenken verboten. Dies wurde vom Gießener Verwaltungsgericht gekippt. Am Freitag bestätigte der Hessische Verwaltungsgerichtshof diese erstinstanzliche Entscheidung.

Seit dem frühen Samstagmorgen waren nach Polizeiangaben unterschiedlich starke Personengruppen in Gießen durch Ausschreitungen an verschiedenen Orten aufgefallen. Mindestens 60 Menschen wurden in Gewahrsam genommen, zuvor wurden etwa 50 Platzverweise erteilt. Rund 200 Menschen wurden insgesamt von der Polizei kurzzeitig festgesetzt. Es bestehe der Verdacht auf Körperverletzungsdelikte, Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung.

100 bis 150 Personen reißen einen Zaun ein

Ein Polizeisprecher berichtete, es sei auch zum Einreißen von Absperrzäunen gekommen sowie zu Versuchen, polizeiliche Absperrungen zu durchbrechen. So habe eine Gruppe von vermutlich rund 100 bis 150 Personen einen Zaun an den Hessenhallen eingerissen. Die Beamten setzten Pfefferspray und Schlagstöcke ein, ein Wasserwerfer stand bereit.

Aufgrund der dynamischen Lage seien zusätzlich zu den mehr als 1000 Beamten, die bereits im Einsatz waren, weitere Polizisten nach Gießen gerufen worden, sagte der Polizeisprecher. Es gehe um mehrere Hundert weitere Polizisten „aus allen hessischen Polizeipräsidien, die zusätzlich nach Gießen kommen, um hier für die Sicherheit vor Ort zu sorgen“. Mit Lautsprechertrupps werde versucht, auf Personen einzuwirken, die an Absperrungen aufträten und möglicherweise versuchen wollten, diese zu durchbrechen. Auch ein Polizeihubschrauber und eine Drohne waren im Einsatz.

Die Polizei sperrt Straßen an mehreren Stellen in Gießen

Je nach Einsatzlage sperrte die Polizei an unterschiedlichen Stellen in der Stadt Straßen. Am Neustädter Tor gab es der Polizei zufolge eine Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von Beteiligten. Dort sei es auch zu Drohungen gegenüber Autofahrern gekommen. Von der Heuchelheimer Brücke seien Gegenstände geworfen worden und Autos seien beschädigt worden. Auch Mitarbeiter eines Geschäfts in der Nähe der Hessenhallen berichteten, dass Scheiben von vorbeifahrenden Autos eingeschlagen worden seien. Man habe auch Sorgen um die eigene Sicherheit gehabt, sagte eine der Beschäftigten.

Die Stimmung war auch in den sozialen Netzwerken teils aufgeheizt. Die Polizei warnte vor Falschmeldungen. Mutmaßlich wegen der heißen Temperaturen hätten mehrere Personen gesundheitliche Probleme bekommen und seien medizinisch versorgt worden, hieß es in einem Tweet. Die Beamten nahmen dabei Bezug auf einen vorher verbreiteten Appell, keine Falschmeldungen zu verbreiten, wonach angeblich ein Teilnehmer der Störaktionen getötet worden sei. Es gebe bislang keine Hinweise darauf, schrieben die Beamten. Ein Polizeisprecher sagte, dass ein Teil der im Internet kursierenden Videos, die Ausschreitungen zeigten, mutmaßlich aus dem Vorjahr stammten.

Bereits im vergangenen Jahr hatte es gewaltsame Ausschreitungen bei dem Festival gegeben. Kritiker sehen eine Nähe zum eritreischen Regime, die gewaltbereiten Personen werden den Regimegegnern zugerechnet.

Ein Verbot des Festivals durch die Stadt war vom Gießener Verwaltungsgericht gekippt und diese Entscheidung war vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof bestätigt worden.

Die Polizei sprach von massiven Ausschreitungen in Gießen. 
Die Polizei sprach von massiven Ausschreitungen in Gießen. Helmut Fricke/dpa

Hessens Innenminister Beuth (CDU) fordert Einbestellung des Botschafters

Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) hat die Bundesregierung nach den Ausschreitungen beim umstrittenen Eritrea-Festival in Gießen aufgefordert, den Botschafter des ostafrikanischen Landes einzubestellen. „Der eritreischen Regierung muss deutlich gemacht werden, dass eritreische Konflikte nicht auf deutschem Boden ausgetragen werden dürfen“, sagte Beuth in Wiesbaden. „Unsere Polizistinnen und Polizisten sind nicht der Prellbock für Konflikte von Drittstaaten.“

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Seit der Unabhängigkeit Eritreas von Äthiopien vor rund 30 Jahren regiert Präsident Isayas Afewerki das Land mit einer Übergangsregierung. International geriet Afewerki zuletzt in die Kritik, da die eritreische Armee mehreren UN-Berichten zufolge im äthiopischen Bürgerkrieg bis November 2022 an der Seite der äthiopischen Zentralregierung schwere Menschenrechtsverletzungen begangen haben soll. Zudem sind in dem Land viele Freiheitsrechte weitgehend eingeschränkt.