Das Büro von Memorial in Moskau auf einem Archivbild aus dem Jahr 2013.
Das Büro von Memorial in Moskau auf einem Archivbild aus dem Jahr 2013. AP/Ivan Sekretarev

Nur wenige Staatschefs gratulierten Russlands Präsident Wladimir Putin am Donnerstag zum 70. Geburtstag: Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un, der Tyrann aus Belarus, Lukaschenko – doch aus dem Westen kam eine Ohrfeige in Gestalt des diesjährigen Friedensnobelpreises, der unter anderem an die wichtigste Menschenrechtsorganisation Russlands ging: Seit 2021 ist Memorial verboten, existiert jedoch weiter durch das Engagement mutiger Mitstreiter. 

Wenige Stunden nach Bekanntgabe des diesjährigen Friedensnobelpreises für Memorial hat ein russisches Gericht die Beschlagnahmung der Moskauer Büros der Menschenrechtsorganisation angeordnet. Die Büros seien in „öffentliches Eigentum“ umgewandelt worden, zitierte die russische Nachrichtenagentur Interfax die am Freitag ergangene Gerichtsentscheidung. Die Büros bilden die Zentrale der Menschenrechtsorganisation, in der sie regelmäßig Ausstellungen veranstaltet hatte.

Lesen Sie auch: Feuer auf Russlands Krim-Brücke: Schwere Schäden und Rätseln um die Ursache >>

Moskauer Gericht ordnete Auflösung von Memorial an, doch die Organisation kämpft weiter

Memorial wurde 1989 gegründet und ist die älteste und wichtigste Menschenrechtsorganisation in Russland. Ende 2021 verfügte zunächst das Oberste Gericht Russlands ein Verbot von Memorial, später ordnete ein Moskauer Gericht die Auflösung der Organisation an. Trotz des Verbots wird die Arbeit von Memorial fortgesetzt, unter anderem erhalt die Organisation Unterstützung aus dem Exil.

Die Menschenrechtsorganisation wird in diesem Jahr zusammen mit dem belarussischen Politiker und Menschenrechtsaktivisten Ales Bjaljazki und der ukrainischen Menschenrechtsorganisation Zentrum für bürgerliche Freiheiten (CCL) mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Die Preisträger hätten einen „außergewöhnlichen Beitrag“ dazu geleistet, Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch zu dokumentieren, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen, in ihrer Begründung.

Schriftsteller Gluchowski und Rapper Oxxxymiron zu „ausländischen Agenten“ erklärt

Moskau hat weitere Oppositionelle zu „ausländischen Agenten“ erklärt, darunter der Schriftsteller Dmitri Gluchowski und der Rapper Oxxxymiron. Ihre Namen wurden am Freitag von den russischen Behörden veröffentlicht. Gluchowski ist ein bekannter Science-Fiction-Autor, der wegen „Diskreditierung“ der russischen Armee gesucht wird. Er hat ebenso wie der Rapper, der mit bürgerlichem Namen Miron Fjodorow heißt, das Land bereits verlassen.

Der 37-jährige Rapper hatte die russische Offensive in der Ukraine Ende Februar als „Katastrophe und ein Verbrechen“ bezeichnet. Der besonders bei jungen Russen populäre Musiker hat mehrere Konzerte zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge im Ausland organisiert, unter anderem in Berlin.

Lesen Sie auch: Zoff ums Grab von Altkanzler Helmut Kohl – jetzt gibt es ein Ultimatum für seine Witwe >>

Ebenfalls zu „ausländischen Agenten“ erklärt wurden die feministische Politikerin Alena Popowa und die Journalistin Irina Storoschewa.

Die Bezeichnung „ausländischer Agent“, die an die Bezeichnung „Volksfeind“ aus der Sowjetzeit erinnert, ist gegen Oppositionelle, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten gerichtet, die beschuldigt werden, mit ausländischem Geld politische Aktivitäten zu organisieren.